„Wir haben ein Zeitproblem“

Die Diskussionsreihe „Die gehetzte Gesellschaft“

■ 45, lehrt als Soziologe und Beschleunigungsforscher an der Uni Jena. Zu seinen Schwerpunkten zählen die Zeitstrukturen in der Moderne.

taz: Herr Rosa, was lehrt man als Beschleunigungsforscher?

Hartmut Rosa: Wir lehren, wieso der modernen Gesellschaft die Zeit ausgeht, obwohl wir sie ständig im Überfluss gewinnen. Wir haben nicht nur ein Rohstoff, sondern auch ein Zeitproblem. Sie ist nicht vermehrbar – das ist fast wie eine Zeitarmut.

Was ist unter dem „rasenden Stillstand“ zu verstehen?

In der Gesellschaft stellt sich das Gefühl ein, die Dinge würden sich ständig ändern. Man ist permanent mit neuen Herausforderungen konfrontiert. Dahinter verbirgt sich ein lähmender Stillstand, der sich breit macht. Menschen haben nicht mehr die Hoffnung, dass die Dinge besser werden, sondern sind froh, wenn sie nicht schlechter werden.

Wie ist das bei Ihnen mit der Beschleunigung? Sie sind selber ziemlich viel unterwegs.

Ich nehme mich als mein eigenes Anschauungsbeispiel. Ich selber kenne die Tücken der Zeitnot, aber man kann nicht einfach durch ein richtiges Zeitmanagment die Probleme lösen, die eine strukturelle Ursache haben. Ich fühle mich genauso getrieben wie der Rest der Gesellschaft.

Hat die Beschleunigung nicht auch etwas Gutes?

Doch, es wäre falsch zu sagen, sie wäre per se ein Verhängnis der Moderne. Sie hat auch einen Moment von Glück. Es gibt die Verheißung der Beschleunigung, die man ein bisschen auf der Achterbahn oder auf dem Motorrad wahrnehmen kann. INTERVIEW: EO

19 Uhr, NDR-Radiohaus am Rothenbaum. Zusammenfassung: morgen, 20.30 Uhr, NDR-Info