ANNE HAEMING DER WOCHENKRIMI: Softporno zum WM-Finale
Versprochen, Sie werden lachen. Die ersten vier Minuten lang. Sie wissen, es ist ein Thriller.
Dann hören Sie aber die softeste aller soften Geigenmusiken, sehen warmes Gegenlicht in einem Apartment, Schnitt, ein Badezimmer, wo eine Blondine mit lasziv zum O geöffneten Mund unter der Dusche steht. Sie umkreist mit einem Stück Seife ihre prallen Titten, den Bauchnabel, dann ihre kahlrasierte Möse.
Ja, dieses Wort muss sein an dieser Stelle. Wir befinden uns schließlich in einem Softporno-Auftakt, getaucht in pastellfarbenem Weichzeichner. Entschuldigung, aber da kann man wirklich nur rausprusten. „Dressed to Kill“ ist Brian de Palma pur. Willkommen in den 1980ern! Und willkommen in einem US-Film, wie er heute in seiner nackten Eindeutigkeit kaum vorstellbar scheint.
Keine Sorge, es fließt Blut, in Mengen, Rasiermesser-Harakiri in einem Aufzug sei Dank. Die Tote war Patientin von Doktor Elliot (Michael Caine – wie immer Grund genug, sich einen Film anzuschauen), die Zeugin eine Prostituierte (gespielt von De Palmas damaliger Gattin Nancy Allen), deren Leumund bei den Bullen eher schlecht ist, drum selbst zur Hauptverdächtigen wird und mit dem Sohn des Opfers eigenhändig ermittelt. Und nun um ihr Leben fürchten muss.
Dass De Palma in tollster Manier mit Split-Screen arbeitet, die beiden Tonspuren der zwei Szenen ineinanderlaufen lässt, ist nicht nur filmisch super – er spiegelt damit auch ziemlich genial das Spiel mit den doppelten Identitäten, das diese Mörderstory so spannend macht. Aber echt jetzt: Softporno mit Weichzeichner, dazwischen blutspratzendes Massaker, zum Beginn der zweiten Halbzeit des WM-Finales – und das im Bayrischen Rundfunk des Sigmund Gottlieb. Mann, das ist schon ein Kalauer. Und leider total verschenkt. Tun Sie sich einen Gefallen und nehmen Sie’s auf, Sie schauen doch eh das Finale.
■ „Dressed to Kill“, So., 22 Uhr, BR
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