Polnisches Eigentor in Berlin?

Warschauer Medien: Deutsch-polnische Beziehungen verbessern sich

WARSCHAU taz ■ Zwischen „deutliche Erwärmung“ (Dziennik) und „Nulleffekt“ (Trybuna) schwankte in Polen am Tag nach dem Antrittsbesuch Jarosław Kaczyńskis in Berlin die Einschätzung. Am positivsten gab sich das seriöse, konservative Springerblatt Dziennik. Die Streitpunkte hätten aber nicht aus dem Weg geräumt werden können, gibt das Blatt zu. Weder im Streit um die Ostseepipeline noch um die Vertriebenenpolitik sei man sich näher gekommen, konstatiert etwas ernüchtert auch die linksliberale Gazeta Wyborcza. Dank deutscher Anstrengungen hätte jedoch während des Gesprächs zwischen Kaczyński und Merkel ein gutes Klima geherrscht. Allerdings müsste nun spätestens während der deutschen EU-Präsidentschaft von polnischer Seite auch eine Goodwill-Geste kommen.

Ergebnisse konnte einzig die konservative Rzeczpospolita ausmachen, die freudig meldete, bei der Pipeline sei man sich näher gekommen. Berlin habe Warschau zugesichert, dafür zu sorgen, dass Polen im Falle eines russischen Lieferstopps mit Erdgas aus westeuropäischen Speicherwerken versorgt würde. Zudem werde Deutschland Polen Zugang zur gemeinsamen EU-Energiepolitik verschaffen.

Einen realistischen Ton in der Einschätzung des Kaczyński-Besuchs in Berlin fand einzig die regierungsnahe, ultrakatholische Tageszeitung Nasz Dziennik. „Die Deutschen wollen uns abwimmeln“, titelte das Blatt und warf Berlin vor, sich mit Zähnen und Klauen gegen einen Staatsvertrag zu stellen, der individuelle Eigentumsansprüche deutscher Vertriebener ein für alle mal ausschließe. Er habe ja erwartet, das der Premier Polen nur schaden werde, sagte der Ex-Außenminister und Solidarność-Dissident Bronisław Geremek gestern. „Wenn wir jetzt neben dem Grenz- und dem Nachbarschaftsvertrag in der Vertriebenenfrage noch einen Vertrag fordern, schießen wir ein Eigentor“, wetterte er im Privatradiosender TOK FM. PAUL FLÜCKIGER