Schönheit, Fakten und Zahlen

HAUTNAH Ökologische Mode und Naturkosmetik werden auf der Vivaness präsentiert. Neben schönem Schein geht es auch um harte Hintergründe des Weltmarkts

Der Markt wird internationaler und die Marken werden dominanter

VON HEIDE REINHÄCKEL

Das grüne Konsumspektrum erweitert sich beständig. Der nachhaltige Konsument will längst nicht nur ökologische Lebensmittel auf dem Teller, sondern auch Naturkosmetik in der Tube und tragbare grüne Mode. So stehen in den zehn Messehallen des Messeverbunds BioFach & Vivaness 2011 in Nürnberg auch Naturkosmetik und Naturtextilien im Mittelpunkt und damit grüner Lifestyle, der im Wortsinn hautnah ist. Auf der Vivaness, der Leitmesse für Naturkosmetik und Wellness, stellen 180 Aussteller in der Messehalle 7 a die Spannbreite ökologischer Haar-, Haut- und Körperpflege und dekorativer Kosmetik für ein Fachpublikum aus.

„Naturkosmetik ist ein gefragter Bereich, die Internationalität wächst und auch der Marktanteil“, berichtet Babara Böck von der Nürnberger Messe. Denn Marktforscher sagen der internationalen Naturkosmetikbranche trotz der Wirtschaftskrise weltweit Zuwachsraten zu. Allein in Deutschland verzeichnete die Branche 2009 eine Umsatzsteigerung um sieben Prozent, so der Branchenreport Naturkosmetik 2010. Damit erreicht Naturkosmetik einen Anteil von 5,6 Prozent am deutschen Gesamtkosmetikmarkt. Das ist viel im Vergleich zu Biofleisch, das nur einen Marktanteil von einem Prozent am Gesamtfleischmarkt besitzt.

Dabei differenziert sich der Markt für Naturkosmetik immer mehr aus: Neben Traditionsunternehmen wie beispielsweise Dr. Hauschka, Weleda, Logona oder Speik gewinnen die preisgünstigen Handelsmarken der Drogerien und Discounter an Bedeutung, wie eine Studie der Gesellschaft für Konsumforschung zeigt. Auch internationale Kosmetikfirmen wie L’Oréal steigen in das Geschäft mit Naturkosmetik ein. Dennoch bleiben deutsche Naturkosmetikprodukte Exportschlager, wie die Messebeteiligung 2009 zeigte, wo fast 50 Prozent der Aussteller aus Deutschland kamen.

„Organic goes luxery“, so wirbt Hamburger Naturkosmetikfirma Santaverde. Sie ist ein Beispiel für die im hochpreisigen Segment zu beobachtende Veredelung von Bio mit dem Luxuslabel. Auch die Vivaness greift diesen Trend auf und thematisiert zum Beispiel den Einzug von Naturkosmetik in das Parfümeriesegment unter dem Stichwort Green Glamour. Eine weitere Neuheit des Messeverbunds ist der Sonderbereich „Bildung – Arbeit – Perspektive“ in Halle 10, der unter anderem zwei ganzjährige Online-Biojob-Börsen vorstellt. „Denn die BioFach & Vivaness versteht sich nicht nur als Handelsplatz“, so Boeck, „sondern auch als Branchentreff, Netzwerk und Wissensplattform.“ Die Fachmesse begleitet daher ein Kongressprogramm mit 140 Veranstaltungen.

Zur schönen Oberfläche zählt neben der Haut vor allem die Kleidung. So stehen Naturtextilien und Green Fashion zum dritten Mal im Mittelpunkt der Textil-Area der BioFach in der Halle 8. Dass grüne Mode längst den Beigeschmack des hässlichen Ökochicks los ist, bewies jüngst die Berlin Fashion Week, die auf vier Plattformen Eco Fashion präsentierte. Auch in der Textil-Area wird die Designbewusstheit grüner Mode bei einer täglichen Modenschau unter Beweis gestellt, bei der Aussteller ihre aktuellen Kollektionen vorführen. „Grüne Mode heißt anständig im doppelten Sinn: ökologisch und ethisch korrekt“, so Kirsten Brodde. Die Branchenkennerin sieht grüne Mode auf dem Vormarsch. „Der Wunsch, grün zu sein, hat mit Biolebensmitteln begonnen und über die Energiesparlampe auch die Kleiderschränke erreicht. In den letzten zwei Jahren gab es einen Boom an grüner Mode, denn endlich kann man grüne Mode tragen, die Augen und Gewissen überzeugt.“

Deshalb beschäftigt sich das von Brodde organisierte Textilforum im Rahmen des Kongresses unter anderem mit dem globalen Biobaumwollmarkt. Biobaumwolle besitzt mittlerweile einen Anteil von einem Prozent am Weltmarkt und wird in 22 Ländern angebaut. Da aber auch der Abbau von Biobaumwolle größere Mengen Wasser benötigt und dieses in den führenden Anbauländern Indien, Syrien und Türkei bald zur Mangelware werden könnte oder teilweise wie in Indien schon ist, befasst die Textilbranche sich auch mit Recycling und alternativen Fasern. Weiterhin stehen im Textilforum Fragen der Zertifizierung im Mittelpunkt. Denn derzeit gebe es, so Brodde, eine „Flut von Siegeln“, die es dem Verbraucher erschweren.

Diese wollen zunehmend Mode und Moral zusammenbringen und damit auch Siegel, die nicht nur Ökostandards, sondern auch Sozialstandards der Anbieter transparent machen und damit ein Stück tragbare Ethik garantieren.