Biologisch in eine friedliche Zukunft

FAIRE CHANCE Zwischen den Fronten des Bürgerkriegs in Kolumbien versucht die Friedensgemeinde von San José de Apartadó ihren Traum von Neutralität zu leben. Mit Bioanbau erhielt sie ein ökonomisches Fundament

Selbsthilfe im Krieg: Die rund 225 Familien haben sich 1997 zusammengeschlossen

VON KNUT HENKEL

Bedächtig klebt Berta Tuberquía die Aufkleber auf die kleinen grünen Bananen. Erst das Logo der Friedensgemeinde von San José de Apartadó, dann das Logo vom deutschen Bananenimporteur Banafair. Auf jeder zweiten Banane, die in fünf bis sieben zusammenhängenden Früchten auf dem rustikalen Holztisch zum Trocknen ausgebreitet liegen, prangt eines der beiden Logos. „Die Käufer in Deutschland sollen doch wissen, woher die bananitos kommen“, sagt die Frau mit den pechschwarzen hochgesteckten Haaren lächelnd.

Bananitos nennen die Bauern in Kolumbiens Bananenanbauregion Urabá die kleinen aromatischen Früchte. Auf deren Anbau haben sich die Bauern rund um La Unión spezialisiert. „Neben dem Anbau von Kakao“, erklärt Javier Sánchez, der gerade wieder mit einem Bananenbüschel auf der Schulter aus der Plantage zum Packtisch kommt. Geschickt hängt er den Fruchtstand an den Haken und beginnt mit dem Messer die Bananen in handliche Portionen von vier bis fünf Bananen zu teilen. Die werden im nächsten Arbeitsschritt in einer großen Metallwanne gewaschen und anschließend verpackt.

Sie exportieren Bananen und „Friedens“-Schokolade

„Alle zwei Wochen ernten wir hier in La Unión, und genauso verfahren die Kollegen unten in San Josécito, dem Hauptdorf unserer Friedensgemeinde“, erklärt der 39-jährige Sánchez. Er ist in La Unión der Bananenverantwortliche. „Ich bin dafür verantwortlich, dass rechtzeitig geerntet wird, die grünen Bananen verpackt und dann weiter nach San Josécito transportiert werden. Dort wartet der Kühllaster, der unsere Fracht zum Hafen von Cartagena bringt.“ Er und sein Kollege Jairo Usuaga aus San Josécito sind die Ansprechpartner für die deutschen Importeure, die alle zwei Wochen einen Container aus Kolumbien in Rotterdam in Empfang nehmen und weiter nach Deutschland verfrachten. Über ein Netz von Weltläden werden die kleinen Früchte dann an die Kundschaft gebracht.

Das Obst ist für die Friedensgemeinde eines von drei Standbeinen. Neben den Bananitos, produzieren die Bauern Kakao und Lebensmittel für die eigene Versorgung – alles in zertifizierter Bioqualität. „Auf die Idee mit der Umstellung kam Anibal Durango bei einer Visite in Deutschland – er ist der Vater der Zertifizierung“, ergänzt Berta Tuberquía, die gerade einige Bananen in Plastikbeutel verpackt und dann in Pappkartons mit dem Aufdruck „Organic Fair Trade“ verstaut. Fair und bio, so die Überlegung von Durango, müsste doch den Bauern eine Exportchance eröffnen und die Friedensgemeinde zumindest ökonomisch auf ein solides Fundament stellen.

Das ist heute der Fall, denn neben den Bananen nimmt die Gepa, das Fair-Trade-Handelshaus aus Wuppertal, den Bauern aus Kolumbien die Kakaobohnen ab. Daraus wird die „Choco de Paz“, die Friedensschokolade aus San José de Apartadó, produziert. Für Berta Tuberquía auch ein Instrument, um international auf die Existenz der Gemeinde aufmerksam zu machen. „Das bringt ein wenig Schutz“, erklärt die sympathische Frau, die zu den Sprecherinnen der rund 225 Familien zählenden Gemeinde zählt. Die haben sich im März 1997 zur Friedensgemeinde zusammengeschlossen, um ihrem Recht auf Neutralität Nachdruck zu verleihen.

San José de Apartadó liegt mitten im Kriegsgebiet. Auf der einen Seite steht die Guerilla, auf der anderen Seite Paramilitärs und staatliche Ordnungskräfte. „Daran hat sich bis heute nichts geändert“, betont die Mutter von fünf Kindern. Benannt haben die Bauern ihr Friedensprojekt nach dem mittelgroßen Dorf, in dem sie begannen, sich zu organisieren.

Seitdem sind vierzehn Jahre vergangen und fast 200 Mitglieder der Friedensgemeinde ermordet worden. Achtmal ist Berta Tuberquía aus La Unión geflohen, achtmal in das Dorf zurückgekehrt, in dem sie geboren wurde. Hubschrauber und Flugzeuge hat sie hinter den Hügelketten, die die Hochebene eingrenzen, aufsteigen sehen, und immer wieder fanden sich die Menschen aus La Unión zwischen den feindlichen Linien wieder.

„Dabei wollen wir mit diesem Krieg nichts zu tun haben. Wir fordern, dass man unsere Neutralität endlich akzeptiert“, sagt die kleine Frau in dem weißen, mit Blumen bedruckten Rock und den klobigen Gummistiefeln mit fester Stimme. Gummistiefel sind obligatorisch in dem hügeligen, von kleinen Wasseradern durchzogenen Gelände rund um La Unión.

An den Hügeln und in den kleinen Senken gedeihen die kleinen Bananen, und rund um das Dorf stehen die großen Blechschilder mit den fünf Regel der Gemeinde. Verboten ist in den Dörfern der Friedensgemeinde das Tragen von Waffen genauso wie jegliche Unterstützung der bewaffneten Akteure. Doch auch die Gemeinschaftsarbeit, das Eintreten für Gerechtigkeit und die Ächtung von Alkohol gehört zu den Prinzipien, die auf der Vollversammlung beschlossen wurden. Die Einhaltung dieser Regeln hat viel dazu beigetragen, dass die Älteste von mehr als zwei Dutzend Friedensgemeinden in Kolumbien immer noch existiert.

„Internationale Solidarität und der in den letzten Jahren erfolgte Aufbau alternativer Handelsstrukturen sind dafür ausschlaggebend“, erklärt die Sprecherin und klebt wieder ein paar Plaketten auf grüne Früchte. Mehrere internationale Friedenspreise, aber auch die ständige Präsenz internationaler Freiwilliger von Begleitorganisationen wie den Internationalen Friedensbrigaden (PBI) sorgen für internationale Aufmerksamkeit. So sind die deutschen Handelspartner 2007 auf die Friedensgemeinde aufmerksam geworden, und bis heute ist der Transport aus den abgelegenen Dörfern noch eine Herausforderung.

„Vor allem bei den Bananen, denn der Hafen von Cartagena ist vierzehn Stunden entfernt und eine Kühlkette Pflicht“, erklärt Javier Sánchez. Das hat in der Vergangenheit nicht immer reibungslos geklappt, und derzeit suchen die Bauern gemeinsam mit den Transport- und Hafenunternehmen nach Lösungen, um den ohnehin kostspieligen Transport zu verbessern. „Die sind nun hoffentlich gefunden, so dass die Ware hier zukünftig in optimaler Qualität ankommt“, hofft Rudi Pfeiffer von Banafair. Ab Anfang März soll der Import der kleinen Bananen wieder voll anlaufen. Für die Bauern in San José de Apartadó eine gute Nachricht, denn die Biobananen sind die einzige kontinuierliche Einnahmequelle.