„Zwei halbe Vegetarier sind ein ganzer“

OBST UND GEMÜSE Auf den Konsum von Fisch und Fleisch zu verzichten kann Genussgewinn bedeuten

■ Der 52-Jährige ist Vorsitzender des Vebu – Vegetarierbund Deutschland. Der eingetragene Verein wurde im Jahr 1892 in Leipzig gegründet.

taz: Herr Schönberger, immer wieder kommt ein weiterer Lebensmittelskandal ans Licht. Alle Jahre wieder folgt ein großes Lamento. Oft steht Massentierhaltung im Scheinwerferlicht, ihre inakzeptablen Methoden und die Folgen. Sind die Fleischesser schuld?

Thomas Schönberger: Mit Vorwürfen an alle, die noch Fleisch essen, sollte man vorsichtig sein. Besser ist es, sie dort abzuholen, wo sie sind. Fakt ist, dass die Deutschen im Schnitt deutlich mehr Fleisch essen, als ihrer Gesundheit zuträglich ist. Auch ökologisch betrachtet wäre die vegetarische bzw. vegane Ernährung der zukunftsweisende Lebensstil. Wer aus ethischen Gründen überzeugt ist, dass man keine Tiere töten sollte, um sie zu essen, wird natürlich jeden Fleischkonsum ablehnen. Aber um klassische Durchschnittskonsumenten zum Nachdenken zu bringen – und damit zu neuen Essgewohnheiten zu bewegen –, wollen wir erste Schritte erleichtern und unterstützen.

Also ist auch ein bisschen weniger auch schon mal mehr?

Das ist auf jeden Fall schon mal ein erster Schritt in die richtige Richtung. Zwei frischgebackene halbe Vegetarier sind rechnerisch ein ganzer mehr. Etwas sehr persönliches wie Essgewohnheiten stellt kaum jemand von einem auf den anderen Tag um. Schritt für Schritt kommt man auch voran. Da sind Vegetarier sich auf einem Teil des Weges mit Organisationen wie etwa slow food einig: Wir müssen wegkommen von der Massentierhaltung. Das heißt automatisch auch, weniger Fleisch zu essen. Mit Kampagnen wie dem „vegetarischen Donnerstag“ bringen wir den Leuten nahe, dass Mahlzeiten ohne Fleisch absolut köstlich und vollwertig sein können, ohne sie gleich beim ersten Schritt zu überfordern. In Bremen, wo nicht nur Politiker, sondern aus Eigeninitiative auch Kantinen und Mensen mitziehen, werden damit viele Menschen erreicht.

Führt der Weg vom Genuss zur Moral?

Gesellschaftlich im Vordergrund stehen Fragen nach einem angemessenen Umgang mit unserer Umwelt – einschließlich den Tieren –, aber auch nach Qualität und Genuss im Alltag. Wer sich mit seiner Ernährung auseinandersetzt, wird kaum noch Industriefood essen wollen. Zurzeit findet ein kultureller Wandel statt: Früher war Fleisch ein Luxus für Besserverdienende, heute hat es ein zunehmendes Imageproblem. Wer über die Produktionsbedingungen mehr weiß, möchte heute kein Fleisch mehr essen. Der Fleischkonsum pro Kopf nimmt seit Jahren ab. Und dabei geht es nicht um Askese, sondern um persönlichen Gewinn: Eine andere, also vegetarische oder vegane Ernährungsweise kann mit Humor und Lust am Essen entdeckt werden. Also viel Spaß dabei!

INTERVIEW: LARS KLAASSEN

Weitere Infos: www.vebu.de und www.halbzeitvegetarier.de