Wir können auch anders!

BIO MACHT SATT Auf der BioFach wird die Lösung globaler Ernährungsprobleme durch ökologischen Anbau diskutiert: Was für die Umwelt gut ist, greift auch ökonomisch

■ Zu den Messen BioFach & Vivaness haben lediglich Fachbesucher Zutritt. Aufgrund der hohen Aussteller und Besucherzahlen aus allen Erdteilen gilt die Veranstaltung als Weltleitmesse für Bioprodukte: Hier werden Themen gesetzt und diskutiert, die die Biobranche beschäftigen.

■ Die Doppelmesse findet vom 16. bis 19. Februar 2011 im Messezentrum Nürnberg statt. Geöffnet ist täglich von 9.00 Uhr bis 18.00 Uhr. Donnerstag ist BioNacht und von 18.00 Uhr bis 21.00 Uhr geöffnet. Am Samstag schließen die Pforten bereits um 17.00 Uhr.

■ Mehr Informationen gibt es online unter www.biofach.de. Dort steht auch das offizielle Messejournal zum Download bereit.

VON VOLKER ENGELS

Ökologisch produziertes Obst, Gemüse oder Fleisch schmecken gut, oft besser als Erzeugnisse der konventionellen Landwirtschaft. Doch anderswo stellt sich die Frage nach der Ernährung wesentlich elementarer: Während in Deutschland ein breites Lebensmittelangebot die Regale füllt, leiden vor allem in den Ländern des Südens viele an Hunger. Mit Blick über den nationalen Tellerrand hinaus wird darum auch zunehmend die Frage diskutiert, ob „bio“ einen Beitrag dazu leisten kann, globale Ernährungsprobleme zu lösen.

Inzwischen ist es fast ein Allgemeinplatz: Extensiver Fleischgenuss führt dazu, dass Urwälder abgeholzt werden und Anbauflächen, auf denen Lebensmittel für Menschen angebaut werden könnten, für schnödes Viehfutter herhalten müssen. Der billige Burger im Schnellrestaurant hat seinen Preis, den einheimische Konsumenten allerdings nicht allein begleichen müssen. Die Zeche zahlen eigentlich Kleinbauern, die oftmals von ihren Feldern vertrieben werden, um riesigen Rinderherden oder Rapsanbauflächen Platz zu machen.

In vielen Ländern des Südens gebe es ländliche Regionen, „die praktisch entvölkert sind“, weiß Roman Herre, Agrarexperte bei der Menschenrechtsorganisation Fian e. V., die sich für das weltweite Recht auf Nahrung einsetzt. „In Kambodscha zum Beispiel werden Kleinbauern gewaltsam von ihrem Land vertrieben, das dann für gigantische Zuckerrohrplantagen genutzt wird.“ Zucker, der vor allem in die Europäische Union exportiert wird. „So werden aus Bauern mit einem Handstreich Saisonarbeiter, die von ihrem Lohn kaum leben können und dafür auch noch alle Rechte an ihrem Land abgeben müssen.“

Während eine industriell ausgeprägte Landwirtschaft „die Rendite im Blick hat“, komme eine standortgerechte ökologisch orientierte Landwirtschaft vor allem den kleinen Produzenten zugute. „Wenn Kleinbauern den Acker mit einem Mischanbau von zwei oder drei Pflanzen bewirtschaften, die aus standortgerechtem Saatgut gezogen wurden, profitiert nicht nur der Konsument, sondern auch die lokale Bevölkerung vor Ort“, so Herre weiter. Denn diese Mischbepflanzung kann eben nur von Hand geerntet werden, riesige Agrarmaschinen haben keinen Platz auf diesen Feldern.

„Wir brauchen weltweit einen Systemwechsel in der Landwirtschaft, weg von industriellen, energie- und treibhausgasintensiven Produktionsmethoden hin zu einem Mosaik von nachhaltigen, sich selbst regenerierenden Methoden, die auf viel Wissen und Qualität setzen“, sagt Ulrich Hoffmann, Leiter des Bereichs Handel, Umwelt und nachhaltige Entwicklung beim Sekretariat der UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (Unctad) in Genf. Das komme „nicht nur den Produkten, sondern auch den Konsumenten, der Umwelt und den Bauern zugute“. Gerade die industriell betriebene Landwirtschaft, die auf Monokulturen und Massentierhaltung setzt und Wälder in Ackerland für Viehfutter und Biosprit verwandelt, sei „weltweit der größte Emittent von Treibhausgasen“. Die industrielle Agrarproduktion verbrauche zehn Energiekalorien, um eine Kalorie als Nahrungsmittel herzustellen. „Dabei werden auch noch die Bodenfruchtbarkeit und die Artenvielfalt aufs Spiel gesetzt“, so Hoffmann weiter.

Die Armutsländer könnten den Hunger mit nachhaltigem Anbau überwinden

Während zum Beispiel eine Kuh aus nachhaltiger Landwirtschaft „Gras zu Milch und Fleisch verarbeitet“, habe die industrielle Fleischproduktion kaum noch Bezug zu landwirtschaftlichen Produkten. „Die Kuh hat man zu Konsumenten von Kraftfutter gemacht, einem Quasi-Industrieprodukt.“ Die Hälfte der weltweiten Getreideernte gehe in die Futtermittelindustrie, mit verheerenden Folgen auch für Menschen: „Rinder, Schweine und Hühner konkurrieren inzwischen mit Menschen um Getreide als Nahrungsmittel.“

Verglichen mit ausufernden Monokulturen der industriellen Landwirtschaft seien nachhaltige oder ökologische Anbaumethoden deutlich produktiver. „Es wäre kein Problem, die Weltbevölkerung mit ökologischen oder nachhaltigen Anbaumethoden zu ernähren“, so ist sich der habilitierte Volkswirtschaftler sicher. „Nachhaltige oder ökologische Landwirtschaft lebt vor allem davon, dass eine breitere Produktpalette hergestellt wird, einschließlich integrierter Land- und Viehwirtschaft. Die Erträge aus der gesamten Produktpalette seien oft höher, stabiler und auch klimaresistenter als bei Monokulturen. „Außerdem ist eine solche Produktion deutlich rentabler, weil sie auf keine teuren Dünge-, Pflanzenschutz- und Tiergesundheitsmittel angewiesen ist.“

Diese Einschätzung teilt Detlef Virchow vom Food Security Center an der Universität Hohenheim: „Viele kleine Landwirte in den Entwicklungsländern kommen traditionell mit sehr wenig oder gar keiner Chemie aus. Wenn diese Landwirte bestärkt werden, organisch nachhaltig anzubauen, bietet das ihnen gute Entwicklungschancen.“ Immerhin ist der Biomarkt weltweit ein Wachstumsmarkt mit viel Potenzial nach oben. „Die Armutsländer“, zeigt sich auch Roman Herre von Fian überzeugt, „könnten mit einer nachhaltigen Landwirtschaft den Hunger in den Griff bekommen“.

■ Ulrich Hoffmann wird die Ergebnisse seiner Untersuchungen im Rahmen einer Podiumsdiskussion auf der BioFach in Nürnberg diskutieren. Die Veranstaltung „Wie müssen sich Agrarpolitik und Handelsbeziehungen zwischen Nord und Süd ändern?“ findet am 18. Februar von 15.00 bis 17.00 Uhr statt.