AMERICAN PIE
: Aderlass ins gelobte Land

BASEBALL Kuba muss der Flucht seiner größten Talente begegnen und diskutiert eine revolutionäre Idee: Wechsel ins Ausland

Der Plan hat nur einen Haken: Dorthin, wo die Athleten wollen, dürfen sie nicht

Es vergeht kaum ein Monat, in dem nicht ein kubanischer Sportler seiner Heimatinsel den Rücken kehrt. Wie man das verhindern kann, darüber wird in Kuba schon lange hinter verschlossenen Türen debattiert. Eine Lösung, die vorgeschlagen wurde, käme einer Sensation gleich im immer noch tapfer sozialistischen Kuba: Man solle den Talenten, bevor sie flüchten, doch lieber erlauben, Verträge mit ausländischen Profiklubs abzuschließen, hat nun die Baseball-Legende Víctor Mesa angeregt.

Adonis García Arrieta und Onelkis García Speck wären dann vielleicht nicht geflüchtet. Die vorerst letzten Ankömmlinge im gelobten Land des Baseball unterzeichneten kürzlich in Florida ihre Verträge mit der Sportagentur Miami Sports Consulting. Dort stehen schon eine ganze Reihe von kubanischen Talenten unter Vertrag, das derzeit größte heißt Yasiel Balaguer. Der 17-jährige Outfielder sollte, so hatten es die Trainer geplant, eigentlich einmal in die Fußstapfen des mittlerweile 50-jährigen Mesa treten, der 1992 Olympiagold mit der kubanischen Nationalmannschaft gewann.

Doch der Jugendnationalspieler Balaguer hat andere Pläne. „Von klein auf habe ich von den großen Ligen in den USA geträumt. Ich wünsche mir, dass meine Eltern mich dort sehen können“, erklärte er Anfang Januar in einer Fernsehshow. Neben ihm saß ein weiteres Jahrhunderttalent aus Kuba: Auch Marcos Barrios ist erst 17 Jahre alt.

Das größte Problem ist, dass die Spieler, die eine Auslandsreise einer Nationalmannschaft nutzen, um sich abzusetzen, oder in der Nacht per Schnellboot über Mexiko in die USA flüchten, immer jünger werden. Früher verließen die Älteren das Land, gestandene Nationalspieler wie José Contreras oder Orlando „El Duque“ Hernández, um in der Major League Baseball (MLB) zu reüssieren. Heute gehen schon die, die ihr Baseball-Leben noch vor sich haben. Auch Aroldis Chapmann, der 22-jährige Pitcher, der über Rotterdam zu den Cincinnati Reds kam, gehört zu der blutjungen Garde. In Kuba trug Chapman den Beinamen „Der goldene Linke“, weil sein linker Arm alle Voraussetzungen erfüllte, ihn zu einem ganz Großen zu machen.

Derart talentierte Spieler fördert das kubanische Sichtungssystem immer wieder zutage. Aber die Talente flüchten, bevor sie ihren Zenit erreichen, weil die kubanische Wirtschaft kriselt. Das macht den Sportfunktionären in Kuba zunehmend Kopfzerbrechen, denn nicht nur im Baseball, auch im Boxen, beim Volleyball und selbst beim Fußball häufen sich die Fälle von Abwanderung. Hinter den Kulissen wird deshalb über neue Modalitäten diskutiert, die den Aderlass stoppen könnten.

Eine Idee ist, zumindest verdienten Athleten offiziell zu erlauben, Auslandsverträge abzuschließen. Selbst Antonio Castro, einer der fünf Söhne Fidel Castros und außerdem Präsident des nationalen Baseballverbandes, unterstützt den Vorschlag, dass kubanische Spieler in Italien, Japan, Südkorea oder Mexiko anheuern dürfen. Vierzig Prozent der Einnahmen aber sollen, so sieht der Plan wohl vor, an die Regierung abgeführt werden, die restlichen sechzig verblieben dann dem Spieler. Sogar Trabajadores, die Zeitung der kubanischen Arbeiterschaft, hat sich schon in die Diskussion um die Initiative eingeschaltet.

Seitdem ist es allerdings wieder ruhig geworden um den spektakulären Plan. Denn der hat einen kleinen, aber entscheidenden Haken: Dorthin, wohin die jungen Athleten wirklich wollen, dürfen sie leider nicht. Die USA, wo nicht nur der beste, sondern auch der am besten bezahlte Baseball der Welt gespielt wird, stehen nicht auf der Liste von Antonio Castro. Denn Verträge mit der MLB verhindert schon das US-Handelsembargo. Kubas Cracks bleibt also weiterhin nur die Flucht, wenn sie sich mit den Besten ihres Sports messen wollen. KNUT HENKEL