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: SIMON BÜCKLE über die langwierige Suche nach einem NS-Massengrab in Dortmund

Beim Thema Verbrechen der NS-Diktatur kommt häufig der Vorwurf auf, es werde versucht, Gras über die Sache wachsen zu lassen. Ulrich Maaß, Dortmunder Oberstaatsanwalt für NS-Verbrechen, versucht, dieses Gras abzutragen. Nicht nur im sprichwörtlichen Sinn: Gestern ließ er Bagger auf einem Privatgrundstück im Dortmunder Süden anrücken, um nach einem möglichen Massengrab zu suchen. Schon lange existierten Gerüchte, dass Nazis in den letzten Wochen des Krieges nicht nur im Rombergpark und in der Bittermark bei den so genannten „Karfreitagsmorden“ Gefangene und Zwangsarbeiter erschossen und verscharrt haben sollen. Auch die Bolmke, ein Waldstück in der Nähe des Dortmunder Stadions, geriet in den Fokus der Ermittler.

Im Oktober 2005 hatte Günther Högl, Leiter des Dortmunder Stadtarchivs, alle bestehenden Hinweise zusammengefasst und Anzeige bei Oberstaatsanwalt Maaß erstattet. Dieser hatte daraufhin die bisherigen Akten ausgewertet, Historiker und Zeugen befragt. „Es handelt sich um eine riesige Gemengelage. Bedauerlicherweise haben wir keine Augenzeugen finden können, vieles beruht daher auf Hörensagen“, beschreibt Maaß die Probleme bei der Aufklärung.

Doch ein Verdacht erhärtete sich während der Recherchen: Demnach sollen am 15. März 1945 rund 30 vermutlich russische Gefangene oder Zwangsarbeiter an einer Kreuzung im Dortmunder Süden zusammengetrieben worden sein. „Manche Quellen geben an, sie seien gefesselt gewesen, andere behauptet, sie hätten geraucht“, erklärt Maaß. Die Gruppe sei von ihren Bewachern gegen Abend abgeführt worden, später seien Schüsse gefallen. Da die Wächter unterschiedliche Uniformen trugen und sich zu dieser Zeit verschieden militärische Gruppen rund um die Westfalenhalle aufgehalten haben, ist die Frage nach den Tätern schwer zu beantworten. Wo aber, so es ihn gibt, liegt der Tatort? Maaß sah sich Luftaufnahmen der Royal Air Force an – „für den fraglichen Zeitraum gibt es weit über 100 Bilder von dieser Gegend“.

Doch die Experten fanden eine Spur: Am 12. März ist an einer Stelle ein Bombenkrater mit rund fünf Metern Durchmesser zu sehen, eine Woche später ist er jedoch verschwunden. „Nicht mal mit den größten Lupen war der Krater zu erkennen. Das hat uns stutzig gemacht – hier könnten die Leichen verscharrt worden sein“, sagt Maaß.

Über ein halbes Jahr hat es gedauert, die zuständigen Stellen zu koordinieren: Gestern machte sich Maaß auf die Suche nach den Knochen der mutmaßlich Erschossenen. Obwohl der Ort exakt mit den Bildern übereinstimmte und die Experten eine Fläche von rund 30 Quadratmetern prüften, konnten sie keine Leichen finden.

„An dieser Stelle ist wohl nichts passiert“, fasst Maaß zusammen. Enttäuscht ist er jedoch nicht: „Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass die 30 Gefangenen das Kriegsende erlebt haben.“

Die Akte „Massengrab in der Bolmke“ will er trotzdem noch nicht schließen – „vielleicht ergeben sich ja durch die Berichte der Medien neue Hinweise“.