Auf Crashkurs mit der Zukunft

Laut dem Nachhaltigkeitsbericht des Zukunftsrates ist in Hamburg die Kluft zwischen Arm und Reich noch größer geworden. Außerdem konzentriere sich der Senat einseitig auf das Wirtschaftswachstum

von Gernot Knödler

Wenn der Senat so weiterregiert wie bisher, haben künftige HamburgerInnen nichts zu lachen. Dieses Fazit lässt sich aus dem gestern vorgelegten Nachhaltigkeitsbericht des Zukunftsrates ziehen. „Trotz einer Steigerung des Bruttoinlandsprodukts haben sich die sozialen Probleme der Stadt 2005 weiter verschärft“, schreiben die Autoren. Die Umweltbelastung habe zugenommen. Dem Senat, der stets darauf hinweist, dass er Hamburg auch qualitativ wachsen lassen wolle, fehle es an einer gezielten Strategie.

Im Zukunftsrat sind über 100 Institutionen, Vereine und Unternehmen vertreten. Ihm geht es darum, Hamburg so zu entwickeln, dass künftige Generationen mindestens genauso gut leben können wie wir. Wirtschaft, Umwelt und Gesellschaft sollen gleichermaßen verbessert werden, ohne dass das Eine zu Lasten des Anderen ginge. Über die Senatspolitik sagt Herbert Brüning vom Zukunftsrat jedoch: „Die drei Felder werden nicht gleichgewichtig gefördert.“ Der Senat konzentriere sich einseitig auf das Wirtschaftswachstum.

Der Zukunftsrat stützt seine Bewertung auf ein Set von 31 Indikatoren, die er 2002 mit 40 Experten aus Behörden, Verbänden, Wissenschaft und Politik entwickelt hat – je zehn für die drei Säulen der Nachhaltigkeit und einem Indikator für die politische Partizipation: die Wahlbeteiligung. Zusammengefasst sind sie im HEINZ 2006, den Hamburger Entwicklungsindikatoren Zukunftsfähigkeit.

Besonders trübe sieht es demnach im Sozialen aus: Das einzige, was sich gegenüber 2004 verbessert hat, ist die Lebenserwartung. Dagegen nahmen fünf Prozent mehr Menschen Sozialhilfe in Anspruch, die Arbeitslosigkeit wuchs aufgrund der Hartz-IV-Gesetzgebung nominell besonders stark (21 Prozent) und auch die Zahl der Schulabgänger ohne Abschluss stieg um 4,5 Prozent.

Die sozialen Unterschiede zwischen den Stadtteilen sind groß: In den zehn Vierteln mit der höchsten Arbeitslosigkeit gibt es fünfmal mehr Arbeitslose als in den zehn mit der niedrigsten Arbeitslosigkeit. Beim Anteil der Sozialhilfeempfänger liegt das Verhältnis bei etwa 1:17. „Wir leben in einer Stadt, die reich ist und in der es erschreckend viele Arme gibt“, sagt Brüning.

Unbefriedigend sind auch die Feststellungen zum Klimaschutz: Die aktuellsten Zahlen aus dem Jahr 2003 weisen Kohlendioxid-Emissionen pro Kopf in Höhe von 11,3 Tonnen aus und liegen damit über dem Bundesdurchschnitt. Bis spätestens 2012 müssten sie bei sechs Tonnen liegen. Klimaverträglich wäre eine Tonne.

Herbert Brüning und seine Mitstreiter finden, der Senat sollte die Wirtschaftsförderung an Nachhaltigkeitskriterien koppeln. Und bei der An- oder Umsiedlung von Unternehmen sollte er ebenso wie bei der Wohnungsbauförderung darauf achten, dass möglichst keine bisher unbebauten Flächen in Anspruch genommen werden. Mehr als zehn Quadratkilometer habe der Senat seit 2001 zugebaut – mehr als die Stadtteile Hoheluft-West, Harvestehude, Rotherbaum und Eimsbüttel zusammen ausmachen. Hier müsse sich die Landesregierung selbst eine enge Grenze setzen.