Ortstermin: „Integration Song Contest“ in Kiel
: Singen ohne Schirmherr

Die Staatssekretärin steht am Rand des Publikums, die Hände vor dem Faltenrock ineinander gelegt

Sozialminister Heiner Garg (FDP) lässt sich vertreten, und damit fällt die Einlage, auf die sich Moderatorin Idun Hübner am meisten gefreut hat, aus. Stattdessen steht Hübner nun zwischen lauter bunten Gitarren mit Gargs Staatssekretärin Bettina Bonde am Mikrofon. „Als Politikerin hat man gar nicht viel mit Musik zu tun“, sagt die. Dann spielt Just Smile von der Gemeinschaftsschule Tarp.

„Integration Song Contest“ heißt die Veranstaltung in der Kieler Pumpe, auf der linken Seite der Bühne singen Mädchen in leopardengemusterten Röcken, rechts sitzen zwei Jungen mit runden Gesichtern auf Stühlen. Über ihre Gitarren gebeugt sind ihnen die halblangen Haare über die Brillen gerutscht, sie singen: „Integration ist hier kein Thema, sie wird bei uns gelebt. Doch es gibt and‘re Orte, wo echt die Erde bebt.“

Der Schlagzeuger scheppert die letzten Takte, der Lokalreporter am Bühnenrand reibt sich die Stirn. Hübner, 49, hat sich ein langes, braunes T-Shirt übergezogen, „Crew“ steht auf ihrem Rücken. Ihre Beratungsstelle für Migranten, die Kieler ZBBS, veranstaltet die Bühnenshow für Schülerbands. Mit schnellen Schritten läuft Hübner zurück zum Mikrofon, strahlt, klatscht. „Wie gesagt, ich arbeite bei einer Stelle, bei der viele Flüchtlinge sind“, ihre Stimme dröhnt über die Lautsprecher: „Und die möchten Deutschland vielfältiger machen.“ Sie zieht ihre schwarze Lesebrille aus den Haaren, blickt auf einen Zettel. „Und jetzt kommt Fantastic Five!“

Martin Weber, Pädagoge und Organisator, trägt lange, feine Haare und ein Sakko, das etwas zu groß aussieht für seine zierlichen Schultern. In glänzenden Turnschuhen flitzt er über die Bühne. Reicht Gitarren, mogelt sich zwischen Schoolbreaker und Soundchecker, grinst: „Ihr seid so zögerlich!“

In der Pause geht Weber zur Staatssekretärin. Die steht am Rand des Publikums, die Hände vor dem Faltenrock ineinander gelegt. „Die Dynamik ist interessant“, sagt er und dreht seine Ansagezettel in der Luft. „Wenn die hier runter gehen, passen die durch keine Haustür mehr.“ Bonde holt Luft: „Haben die Schulen die Instrumente bezahlt?“ Weber schaut zur Bühne und sagt, dass er jetzt weitermachen muss.

Im Vorbereitungsraum, zwischen Taschen und belegten Brötchen, sitzt Idun Hübner neben einem Klavier. Der Song Contest sei für die Öffentlichkeit gedacht, teilnehmen würden hauptsächlich deutsche Schüler, sagt sie. „Zumindest müssen sie sich mit diesen Themen auseinander setzen.“

Minister Garg, den Schirmherrn, hätte sie gerne auf das angesprochen, was er gestern in der Zeitung gesagt hat: Schlüssel für eine erfolgreiche Integration seien „vor allem geeignete Sprachkenntnisse“. Die Jugendlichen, mit denen sie sonst arbeitet, sind Migranten ohne Aufenthaltserlaubnis. Geld für Sprachkurse gibt es für die nicht.

KRISTIANA LUDWIG