: „Schutz und Liebe“
VORTRAG Über Trauma, Flucht und Träume spricht der Refugio-Psychotherapeut Hossein Farshidi
■ 65, ist Psychotherapeut und betreut seit 1993 bei Refugio Bremen Flüchtlinge.
taz: Herr Farshidi, was werden Sie auf der Veranstaltung über Ihre Arbeit als Psychotherapeut für Flüchtlinge erzählen?
Hossein Farshidi: Ich werde über das Thema Träume referieren: 99 Prozent der Flüchtlinge, die ich behandele, haben traumatische Erfahrungen gemacht und große Angst erlebt. Sie haben sich diese Ereignisse intensiv eingeprägt – und leiden nun an Albträumen, die sich ständig wiederholen.
Welche Ereignisse?
Die sind sehr unterschiedlich. Afghanische Patienten haben beispielsweise oft traumatisierende Fluchterlebnisse, viele verloren unterwegs Angehörige. Iraner, oft Intellektuelle aus Großstädten, berichten eher über Gefängnisse, Verfolgung und Folter. Syrer erzählen vom Krieg. Viele Afrikaner reden über Ihre Zeit als ehemalige Kindersoldaten. So ist und wirkt jede erlebte traumatische Erfahrungen anders. Außerdem leiden sie hier unter weiteren Belastungen, wie beispielsweise der Status Duldung oder die bürokratischen Hindernisse.
Wie therapieren Sie diese Traumata?
Ich suche nach starken Ressourcen aus der Kindheit, wie Schutz und Liebe. Sehr viele haben aber keine schöne Kindheit gehabt. Je nachdem, wie ausgeprägt diese Ressourcen sind, reagiert der Patient besser oder langsam auf die Therapie. Wichtig ist, ein stabiles Umfeld aufzubauen, bis sie in der Lage sind, ihre Traumata zu verdauen.
Die kulturellen Unterschiede hindern sie nicht dabei?
Wir sind gut aufgestellt. Unsere Patienten kommen aus 20 verschiedenen Nationen. Es gibt ein Dolmetscher-Team von 20 bis 25 Personen, die wir im Refugio extra für die sensible Flüchtlingsarbeit ausbilden. Ich als Deutsch-Iraner kann auch direkt mit Afghanern und Iranern sprechen.
Sie haben in diesen 22 Jahren viele Schicksale begleitet. Wie gehen sie damit um?
Irgendwann lernt man selbst, sich zu distanzieren. Ich kann das nicht beschreiben. Es ist eine Art Selbstschutz. Es gibt auch unter uns Kollegen regelmäßigen Austausch, wo wir das Erlebte verdauen und verarbeiten können.
INTERVIEW: LISA MAHNKE
19.30 Uhr, Villa Ichon, Goetheplatz
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