: Crash für Autofabrik
Nach Insolvenz des Autozulieferers ISE kommt Kritik am Verhalten der Geschäftsführung auf. 2.800 Arbeitsplätze an drei Standorten sind gefährdet. NRW-Wirtschaftsministerium bietet Hilfe an
VON MORITZ SCHRÖDER
Was die Geschäftsführung bisher dementiert hat, ist nun trotzdem eingetreten. Zwei Autozuliefer-Unternehmen der Gruppe ISE im oberbergischen Bergneustadt sind seit Montag offiziell insolvent. Doch die Vollbremsung war vorhersehbar. Der Insolvenzantrag habe die Beschäftigten nicht überrascht, sagt Thomas Jörgens, zweiter Betriebsratsvorsitzender bei ISE Industries: „Das haben wir immer geahnt. Nach allem, was wir mitbekommen haben, sind wir zahlungsunfähig.“ Der Betriebsrat kritisiert nun das Verhalten der Geschäftsführung: „Die hatte das Steuer nicht mehr in der Hand“, so Jörgens.
Die beiden Gesellschaften ISE Industries und Innomotive Systems Europe hatten die Insolvenz beim Amtsgericht Bonn angemeldet. „Die Begründung war die drohende Zahlungsunfähigkeit“, bestätigt Holger Voskuhl, Sprecher des Insolvenzverwalters Christopher Seagon. In den Unternehmen an den Standorten Bergneustadt, Witten und Duisburg arbeiten rund 2.800 Beschäftigte, davon knapp 2.000 bei Innomotive Systems Europe.
Landeswirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU) will sich für den Erhalt der Werke einsetzen und traf sich gestern mit Landräten, Bürgermeistern und PolitikerInnen aus den betroffenen Regionen sowie mit dem Insolvenzverwalter: Das Ministerium werde „mit allen zur Verfügung stehenden Instrumenten zur Unterstützung bereit stehen“, sagte Thoben.
Die Produktion bei ISE ist vorerst drei Monate lang gesichert. „Investoren sind da“, sagt Voskuhl. ISE stellt unter anderem Fahrwerksteile, Scharniere und Schaltgabeln für Abnehmer wie Mercedes, VW oder Ford her. Während die Produktion weiterläuft, fragt sich Norbert Kemper, Verhandler der IG Metall, welchen Hintergrund die Entscheidung in der Chefetage hatte: „Da wurden plötzlich Geldhähne zugedreht“, vermutet er. Sezai Baba, Betriebsratsvorsitzender bei ISE Industries, wird konkreter: „Unsere Auftraggeber hatten kein Vertrauen mehr in die Geschäftsführung und wollten nicht mehr zahlen.“
Im November vergangenen Jahres hatte bereits die ISE-Tochter Intex Insolvenz angemeldet, die Ende 2004 gegründet worden war. Das habe einen „Dominoeffekt“ ausgelöst, sagt GewerkschafterKemper. In den Werken von ISE Industries in Witten und Duisburg wurde außerdem bis Ende 2006 über einen Sanierungstarifvertrag verhandelt, um dem Unternehmen aus Finanzproblemen zu helfen. Die IG Metall brach die Gespräche jedoch ab. Der Betriebsrat begründet das mit mangelndem Vertrauen in die Entscheidungen der Geschäftsführer.
Wie stark die Unternehmen gefährdet sind, lässt sich laut Insolvenzverwalter und IG Metall noch nicht einschätzen. „Wir prüfen erstmal, was überhaupt los ist“, sagt Voskuhl. Konkrete Rettungspläne werde es frühestens Ende dieser Woche geben. Für die Beschäftigten wurde bereits Insolvenzgeld beantragt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen