KOMMENTAR VON KARIM EL-GAWHARY
: Ägyptische Ungewissheiten

Sechs Monate, um sich auf Wahlen vorzubereiten: eine lange und viel zu kurze Zeit

Ein Militärrat, der die Weichen stellt, ohne gleichzeitig politischer Ansprechpartner zu sein. Eine alte Opposition, die jahrzehntelang ihr Dasein in der vom Regime zugewiesenen Nische gefristet hat. Eine neue Jugendbewegung, die zwar weiß, wie man mit Facebook und Twitter Menschen mobilisiert, die aber kaum politisch organisiert ist. Mubarak ist weg. Was an seine Stelle tritt, ist völlig ungewiss.

Da ist die Frage, wie sich das Militär verhalten wird. Wer steht denn dem Militärrat vor? Hussein Tantawi war Verteidigungsminister unter Mubarak. Der Mann hat Krebs und keine Ambitionen mehr. Der wirklich starke Mann, der in den USA ausgebildete Stabschef Sami Anan, hält sich im Hintergrund. Ein „Pudel Mubaraks“ also, wie Tantawi genannt wurde, ein Mann mit starken Bindungen an Washington – und viele unbekannte Gesichter: An der Besetzung des Militärrates lässt sich dessen inhaltliche Ausrichtung kaum ablesen.

Die ersten Schritte des Militärs waren durchaus im Sinne der Demonstranten. Doch da gibt es diese beklemmenden Meldungen, das Militär habe in den letzten Wochen hunderte von Menschen festgenommen. Wie viele, weiß niemand genau. Dann ist da die Zusammensetzung des vom Militär ernannten Komitees, das die Verfassung umschreiben soll. Ihm steht mit Tarek al-Bischri ein islamistischer Intellektueller vor, ein anderes Mitglied hat enge Verbindungen zur Muslimbruderschaft, die meisten übrigen Richter im Verfassungsausschuss sind unbekannte Größen. Aber der Einfluss des Ausschusses ist begrenzt. Er darf nur sechs Artikel der Verfassung überarbeiten. Bei fünf davon geht es darum, faire Wahlen zu gewährleisten. Ein sechster wird umgeschrieben, weil er im Namen des Antiterrorkampfes praktisch alle in der Verfassung gewährten bürgerlichen Rechte ausgesetzt hatte. Ein recht begrenztes Mandat also.

Sechs Monate können sich die Ägypter auf Wahlen vorbereiten. Das ist eine lange und eine viel zu kurze Zeit. Lang, weil die Ägypter sichergehen wollen, dass das Militär die Macht auch wieder abgibt. Und zu kurz für die Opposition, sich zu organisieren.

Am Ende wird es nur einen Garanten dafür geben, dass es vorangeht: das neue Tahrir-Bewusstsein der Araber, die ihre Angst abgestreift und gelernt haben, erfolgreich für ihre Rechte auf die Straße zu gehen.