„Die Verbandsklage wird nicht gewollt“

Mit der Verbandsklage besitzen Verbände eine wichtige Waffe für den Umweltschutz, sagt Susanne Creutzig

taz: Frau Creutzig, was ist eine Verbandsklage?

Susanne Creutzig: Prinzipiell ermöglicht es die naturschutzrechtliche Verbandsklage den Verbänden, eine Klage anzustrengen, ohne dass sie direkt in ihren eigenen Rechten betroffen sein müssen. Diese Verbandsklage ist relativ eigenschränkt im Bundesnaturschutzgesetz vorgesehen. Im Umweltrechtsbehelfsgesetz werden dagegen erweiterte Klagen wie gegen bestimmte umweltrechtliche Zulassungsregelungen für Industrieanlagen und Infrastrukturmaßnahmen geregelt. Leider ist die Verbandsklage politisch nicht mehr gewollt.

Kritiker der Umweltverbände behaupten, diese Gesetze würden eine Klagewelle herbeiführen.

Diese Vorwürfe sind überzogen. In NRW gab es seit 2000 lediglich dreizehn Fälle von Verbandsklagen.

Warum ist diese Zahl so niedrig?

Der Anwendungsbereich der Verbandsklage ist relativ eng gefasst, von daher kommen nur wenige Fälle in Betracht. Nicht jeder Fall ist zudem für eine Klage geeignet. Außerdem haben die Naturschutzverbände nur sehr begrenzte Finanzmittel zur Verfügung, so dass nicht alle möglichen Verbandsklagen auch verfolgt werden können.

Übernehmen die Naturschutzverbände mit der Verbandsklage auch eine Anwaltsfunktion für Bürger?

Ja, die Bürgerinnen und Bürger machen erfahrungsgemäß kaum Gebrauch von ihren Rechten. Daher ist die Rolle der Verbände als Anwalt der Natur umso wichtiger. Leider müssen die Verbände nach dem neuen Umweltbehelfsrecht ein verletztes Recht konkret vorweisen, zum Beispiel auf einem Grundstück, das ihnen selbst gehört. Die Rechte, die die Verbände eigentlich aus der Aarhus-Konvention erhalten sollten, haben sie de facto nicht. Der NABU hat daher auch eine Beschwerde bei der EU eingereicht und ist sehr optimistisch, dass in Brüssel schnell entschieden wird.

Hält sich Nordrhein-Westfalen auch nicht an das Europa-Recht?

Ein Trend zur Absenkung der Umweltsstandards auf das bundesgesetzliche Minimum lässt sich überall erkennen. NRW ist da Vorreiter. Im Zuge der Föderalismusreform kam es außerdem vor, dass einzelne Bundesländer versucht haben, das EU-Recht gegen Bundesrecht auszuspielen, wenn auf europäischer Ebene niedrigere Standards gelten. Da ist im Moment eine Menge im Fluss.

INTERVIEW: C.WERTHSCHULTE