Das alte Lied von verlorenen Träumen

Im Film „Weltverbesserer auf dem Schlachtfeld“ stellt die 31-jährige Teresina Moscatiello Statisten vor, die in einem US-Camp Terroristen spielen. Er ist eine Kritik ihrer Generation, die, statt auf Demos zu gehen, lieber in Prenzlauer Berg Latte trinkt

„Ich bin in keiner Partei. Ich habe mich fürs Filmemachen entschieden“

von Kathrin Schrader

US-amerikanische Soldaten, die zum Einsatz in den Irak geschickt werden, passieren zuvor ein Militärcamp in Bayern. Dort werden sie für den Umgang mit der Zivilbevölkerung geschult. „Ich hatte gehört, dass die US-Army Menschen für das Rollenspiel im Camp sucht: Zivilisten, normale Bürger, die dann Scheichs und Terroristen spielen sollen“, berichtet die Filmemacherin Teresina Moscatiello. „Die Vorstellung solcher Spiele fand ich absurd.“ Vor allem aber hat sie sich gefragt, welche Leute einen Job wie diesen bereitwillig machen.

Bei ihren Recherchen traf sie auf Menschen Anfang 30, also so alt wie sie selbst, Akademiker, Menschen, die jenen glichen, die vor kurzem noch auf der Antikriegsdemo neben ihr gelaufen waren. Sie war überrascht – und drehte deswegen den Dokumentarfilm „Weltverbesserer auf dem Schlachtfeld“. Heute läuft er in Berliner Kinos an.

Vor der Kamera stehen Leute, die mitspielen – obwohl sie sich bisher dem großen Spiel widersetzt und die Spielregeln hinterfragt hatten. Florian aus Berlin etwa stürmte an jedem 1. Mai in Kreuzberg gegen die Staatsgewalt. Bernhard erinnert sich moralischer Gründe, die ihn einst veranlassten, den Wehrdienst zu verweigern. Anja hat gegen die amerikanische Außenpolitik protestiert, in jenem Jahr 2003, als Millionen das taten, als der Irakkrieg begann, bis sie sich in den US-Soldaten John verliebte. Die Protagonisten erzählen vom banalen Alltag im Camp, und sie ringen sich mühsam Erklärungen für ihre Motivation ab. Bernhard wird am Ende des Films gefragt, was an dieser Welt anders sein sollte. Es fällt ihm nichts ein. „Kannst du mich das morgen noch einmal fragen?“ Es ist anstrengend, Menschen, die wenig zu sagen haben, über eine Stunde lang zuzuhören. Es macht aggressiv.

Ob die Regisseurin die Personen in ihrem Film gehasst hat? „Ich liebe und ich hasse sie“, sagt Moscatiello. „Ich möchte die Diskrepanz zeigen, in der sie leben.“ Diese Diskrepanz wird jedoch nicht immer sichtbar. Vielleicht gibt es sie auch gar nicht. Lediglich Florians Entscheidung, nicht mehr ins Camp zu fahren, deutet auf einen Konflikt hin.

Moscatiellos Film ist die Abschlussarbeit ihres Studiums an der Deutschen Film- und Fernsehakademie in Berlin. Es geht in dem Film um ihre eigene Generation, sagt die 31-Jährige. „Gegen diese Haltung, dass wir angeblich nichts machen können.“ Sie fühle manchmal diese Leere. Es sei wie ein schwarzes Loch, wenn sie mit Gleichaltrigen ins Gespräch käme. „Die können sich eine halbe Stunde lang über Klingeltöne unterhalten statt darüber, woran sie glauben, wofür sie eintreten, was wir als Generation weitergeben. Wir sind doch nicht hier, um Popcorn zu essen.“

Moscatiello sitzt in einem Café in Prenzlauer Berg, einem der bevorzugten Wohnorte genau jener Generation. Sie hat ein sympathisches, offenes Gesicht, dunkle, aufmerksame Augen. Sie trinkt Saft. Sie raucht nicht. Sie sucht nach Worten für das, was sie bewegt, erschüttert, dass es den meisten doch nur um Spaß und Kohle geht – und nicht mehr um ein politisches Ziel.

Denn ihre Haltung in dem Film wird nicht klar. „Natürlich würde ich so einen Job im Kriegscamp niemals freiwillig machen. Es bedeutet ja, dass man den Krieg unterstützt“, sagt sie. Sie habe aber keine Wertung vornehmen wollen: „Ich bin ja nicht jemand, der sagt: So und so muss es jetzt gemacht werden.“ Es ist das, was den 30-Jährigen häufig den Ruf einträgt, unpolitisch zu sein: die Angst, etwas werten zu müssen. In diesem Punkt gleicht die Regisseurin ihren Protagonisten.

Daneben steht die Sehnsucht, politisch tätig zu werden. Sie wünscht, dass wieder mehr über die drängenden politischen Fragen gesprochen wird – zumindest über die alltäglichen Entscheidungen, die man treffen muss, zum Beispiel darüber, wie man sein Geld verdient. Sie wünscht, dass mehr Leute auf die Straße gehen. Zunächst bleibt es beim Wünschen.

Was aber, wenn diese Fragen, für wen man arbeitet, was man da eigentlich macht, um seine Miete und sein Biobrot zu verdienen, immer wieder beim politischen Gegner enden? Was, wenn dieser Umstand jede Debatte erstickt, weil jeder auch sich selbst anklagen müsste? Teresina Moscatiello weiß darauf keine Antwort. „Ich bin nicht in einer Partei und keine Politikerin. Ich habe mich für das Filmemachen entschieden. Das ist mein Weg: durch Kunst politisch aktiv werden.“

Teresina Moscatiello wuchs im Saarland auf. Sie studierte Literatur an der Sorbonne in Paris, anschließend Theater, Film- und Fernsehwissenschaften in Bochum. Das Studium an der Deutschen Film- und Fernsehakademie begann sie 1998, arbeitete zwischendurch in Israel und den USA. Jetzt hat sie sich für Berlin als Wohn- und Arbeitsort entschieden. Die Antwort, warum es Berlin sein muss, hat man auch schon gehört: die Stadt, in der die Brüche des 20. Jahrhunderts so deutlich sichtbar werden wie sonst nirgends. So antworten vermutlich 80 Prozent der Neuberliner in Prenzlauer Berg.

Weil sie keinen deutschen Verleih fand, nahm sie die Sache selbst in die Hand und gründete ihre eigene Produktionsfirma: Sinafilm. Ihr Büro in einem Hinterhaus in Prenzlauer Berg: eine lange Arbeitsplatte aus mehreren über- und untereinandergeschobenen Tischen. Ein altes Paar Kinositze. Computer. Teetassen und Kekse. Unbezahlte Arbeit in Hülle und Fülle. Allein die Cutterin hat ein halbes Jahr lang ehrenamtlich geschnitten.

Aus diesem Büro im Hinterhaus hat der Film seinen Weg in viele Großstädte gefunden. Er wird auch in Dresden, Hamburg, Köln und München zu sehen sein. Moscatiello hat den Film ohne finanzielle Förderung auf die Beine gestellt – lediglich mit dem Honorar, das sie während der Recherchearbeiten im US-Camp für ihre Darstellung einer muslimischen Frau erhielt.

„Weltverbesserer auf dem Schlachtfeld“ läuft ab heute (20 Uhr) im Moviemento sowie Sonntag und Montag (20 Uhr) im Babylon Mitte