EIN GEWENDETER DANIEL ORTEGA GEWINNT DIE WAHL IN NICARAGUA
: Sandinistische Revolution ist Geschichte

Daniel Ortega hat die Wahlen in Nicaragua so gut wie gewonnen, das zeigen die ersten Teilergebnisse der Wahlauszählung. Ortega ist damit nicht nur der erste Revolutionär, der sich 1990 samt seinem System abwählen ließ, sondern auch der Erste, der über die Urnen wieder zurückkommt. Allerdings kann er heute schwerlich das Etikett Revolutionär für sich beanspruchen. Ortega ist ein populistischer Machtpolitiker geworden, der die Gesetze der politischen Intrige perfekt beherrscht.

Um das Wahlgesetz nach seinen Bedürfnissen maßzuschneidern, paktierte Ortega mit dem korrupten Expräsidenten Arnoldo Alemán. Alle wichtigen Institutionen wurden unter Gefolgsleuten der beiden aufgeteilt: Justiz, Wahlrat, Rechnungshof und, und, und. Alemán, der zu 20 Jahren Haft verurteilt wurde, genießt dank des Paktes einen lockeren Hausarrest, eine Untersuchung gegen Ortega wegen Missbrauchs seiner Stieftochter wurde eingestellt. Der Pakt spaltete beide Parteien. Allerdings ging der Riss bei den Liberalen tiefer. Ortega konnte den Abgang der städtischen Intellektuellen durch die Öffnung nach rechts wettmachen. Auf seiner Kandidatenliste finden sich ehemalige Konterrevolutionäre. Vizepräsident wird der Unternehmer Jaime Morales Carazo, der einst als Sprecher der Contras auftrat.

Diese Allianzen könnten noch als Produkt der Versöhnungspolitik gerechtfertigt werden. Wie sich Ortega an die reaktionärsten Kreise der katholischen Kirche anbiedert, geht aber auch vielen überzeugten Anhängern zu weit. So wurde die Kriminalisierung der Abtreibung mit medizinischer Indikation, die die Bischöfe durchsetzen wollten, auf Initiative der Sandinisten im Schnellverfahren durch das Parlament gepeitscht. Und der versprochene Schwenk in der Agrarpolitik zugunsten der existenzgefährdeten Kleinbauern klingt wenig glaubwürdig, wenn ein sandinistisches Unternehmen zu Lasten der lokalen Produzenten im großen Stil subventionierten Reis aus den USA importiert. Die Ideale der sandinistischen Revolution, die einst für ganz Lateinamerika Signalwirkung hatten, sind und bleiben Geschichte. RALF LEONHARD