Israels Offensive fordert 25 Tote

Palästinenserpräsident Abbas nennt Einmarsch israelischer Soldaten in den nördlichen Gaza-Streifen ein Massaker

JERUSALEM taz ■ Drei Tage nach Beginn der israelischen Großoffensive im nördlichen Gaza-Streifen feuern militante Palästinenser weiterhin Kassam-Raketen auf Israels Süden ab. Die israelische Armee sperrte daraufhin gestern die Stadt Beith Hanoun über Stunden ab. Per Lautsprecher forderten die Soldaten alle 16- bis 45-jährigen Männer auf, sich zur Überprüfung ihrer Dokumente bereitzustellen. Seit Beginn der Offensive starben 25 Palästinenser, darunter ein vierjähriger Junge.

Palästinenserpräsident Mahmud Abbas nannte Israels Vorgehen in Beith Hanoun ein „Massaker“, und Premierminister Ismail Hanijeh vermutet, dass der neue israelische Minister Avigdor Lieberman die Operation vorantrieb. Lieberman hatte schon am ersten Tag im Kabinett vorgeschlagen, Israel sollte in Gaza vorgehen, wie die Russen in Tschetschenien.

Selbst Israels Verteidigungsminister Amir Peretz hängt keinen Illusionen mehr nach, dem Raketenbeschuss tatsächlich ein Ende bereiten zu können, was allerdings „nicht bedeutet, dass wir hilflos bleiben“. Die Operation mit dem Namen „Herbstwolken“ wird mit dem andauernden Beschuss vor allem der Stadt Sderot in der Negevwüste begründet.

Die Stimmung in der palästinensischen Stadt mit ihren rund 35.000 Einwohnern ist zwiespältig. Auf der einen Seite herrscht Solidarität mit den Befreiungskämpfern, die mit ihren heimgefertigten Raketen versuchen, Israel Schaden zuzufügen. So folgten gestern zahlreiche Frauen dem Aufruf der Hamas, eine Demonstration vor einer Moschee zu veranstalten, in die sich eine Gruppe von Kämpfern geflüchtet hatte. Die bewaffneten Männer konnten unter dem Schutz der Demonstrantinnen entkommen. Zwei Frauen kamen bei der Aktion ums Leben. Zum anderen wissen die Bewohner, dass jeder Raketenabschuss scharfe Vergeltungsmaßnahmen nach sich zieht, sie würden es deshalb vorziehen, wenn die ohnehin wenig wirksamen Angriffe eingestellt würden.

Bei Zusammenstößen zwischen israelischen Soldaten und palästinensischen Kämpfern im Westjordanland kam eine 65-jährige Frau in Betlehem ums Leben, die zwischen die Fronten geraten war. In Ramallah wurde der Bau- und Wohnungsminister Abdul Rahman Seidan festgenommen. Seit der Entführung des israelischen Soldaten Gilad Schalit Ende Juni ist Seidan der zehnte Minister, der von Israel verhaftet wurde.

SUSANNE KNAUL