die taz vor zwölf jahren über Brigitte Seebacher-Brandt
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Um 1989 herum mochten manche noch glauben, mit der scharfzüngigen Brigitte Seebacher-Brandt könne die konservative Sozialdemokratie eine intellektuelle Renaissance erleben. Immerhin war sie eine wichtige publizistische Protagonistin beim Wiederaufkommen der nationalen Frage seit 89. Doch sie fuhr mit zu vielen Feindseligkeiten auf, die ihr die durchaus denkbare Fortexistenz auf dem rechten Flügel der SPD verunmöglichten. Als sie Einsicht nehmen wollte in die „Unwägbarkeiten der Volksseele“ und Willy den Vollzug der „seelischen Einheit Deutschlands“ einklagen ließ, schien ihr weiteres Abgleiten in eine metaphysische Konstruktion von Nation vorbestimmt. In ihrer ersten Verratslegende kam die ganze Verbitterung zum Vorschein, daß sich Brandt zu historischer Stunde für die vaterlandslosen Gesellen – seine Enkel! – in Ostdeutschland die Hacken ablief. Von da an ließ sie am Krankenbett Brandts kaum noch Vier-Augen-Gespräche mit „verdienten Genossen“ zu und traktierte die Partei nach dessen Tod mit der Überlieferung von vorletzten Standpauken des Dahinsiechenden. So entstand die nationalkonservative Witwenlegende. Schließlich mündete ihr Konflikt mit der SPD in einer beispiellosen publizistischen Selbstverbrennung. Die Unterstellung, daß es sich beim alten Wehner um einen unverbesserlichen Kommunistenstrolch gehandelt habe, lag geistig auf dem Niveau jener Lumpen, die Brandt einst die Emigration vorwarfen. Norbert Seitz, taz 26. 1. 1995