AM MEHRINGPLATZ
: Laberflash

Acht Joints am Tag. Alkohol kommt aber nicht in die Tüte

Dann war es Mittag am Mehringplatz. Auf einer Bank saß ein junger Mann und drehte einen Joint. Als ich näher kam, erkannte ich B. Wir hatten uns in den 90ern kennen gelernt. Damals hatte seine Mutter mich gebeten, mit ihm zu reden, weil er begonnen hatte, Gras zu rauchen. Ich hatte gesagt, dass es schlecht wäre, wenn er nun auch noch mit dem Biertrinken anfangen würde, dass er versuchen sollte, seinen Abschluss zu machen und solche Sachen, die man dann halt sagt. Irgendwie war er durch die Schule gekommen. Ein paar Jahre hatte ich ihn nicht mehr gesehen. Ich setzte mich zu ihm. Es war schön, mit ihm hier bei den Hochhäusern zu sitzen.

Wie geht’s? Er zündete seinen Grasjoint an und begann ohne Punkt und Komma zu reden. Von seinem Besuch im Jobcenter, von seinem Job in einer Werbeagentur und dass da alle kiffen würden und dass er viel zu wenig verdiente, von seiner Freundin, mit der er in seiner Einzimmerwohnung wohne und dass sie ihn ausnutze, nichts auf die Reihe kriege und das typische „Studentenopfer“ sei. Detailliert beschrieb er unangenehme Eigenschaften von Leuten, die ich nicht kannte, und wenn er von Leuten erzählte, die ich kannte, korrigierte ich ihn. Er redete hastig, als wollte er möglichst schnell die Sätze loswerden, die ihn in seinem Kopf störten.

Einerseits war alles toll, andererseits war alles blöd. Ich bin so fertig, ich brauch Ruhe, ich muss mal wieder ein bisschen zu mir zu kommen. – Du sagst es.

Obgleich ich abgelehnt hätte, war ich ein bisschen enttäuscht, dass er mir nichts anbot. Wie viel rauchst du? – Acht Joints am Tag. Alkohol kommt aber nicht in die Tüte. Begeistert schimpfte er über Trinker. Dann war sein Laberflash zu Ende. Zum Glück interessiert er sich nicht für Politik. Als wir uns trennten, sagte er: „Aber eigentlich geht’s mir doch super; was beklag ich mich.“ Die Sonne schien in der Gegend herum. DETLEF KUHLBRODT