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Nach dem Spiel ist vor den Spielen

SPORTPOLITIK Das nächste Großereignis steht in der brasilianischen Metropole schon vor der Tür – 2016 gastiert Olympia in Rio de Janeiro. Mit den Spielen kommt auch die Angst vor Zwangsumsiedlungen

RIO DE JANEIRO taz | Alles davon war Mumpitz: Es gab nun wirklich kaum große Probleme, was die Gäste anging, die Zufahrtswege und die Infrastruktur rund um die Stadien. Im Gegenteil: Anders, als vor der WM gemutmaßt worden war, hat die Organisation gestimmt. Zumindest was die Partien selbst anging.

Erstmals Südamerika

Damit könnte Brasilien verhältnismäßig entspannt auf das nächste anstehende Großereignis blicken, das bereits in zwei Jahren stattfindet: Erstmals in der Geschichte der Olympischen Spiele wird mit Rio de Janeiro im August 2016 eine südamerikanische Stadt Gastgeber des größten Sportfests der Welt sein. Dass auch dieses Ereignis in Brasilien politisch diskutiert werden wird, liegt auf der Hand. Ein Jahr vor der Fußball-WM, im Juni 2013, waren Zehntausende Menschen in zahlreichen Städten auf die Straßen gegangen, um gegen das aus ihrer Sicht bestehende Missverhältnis von Investitionen in Sportstätten und solchen in soziale Bereiche zu demonstrieren.

Gerade weil die gigantischen Umbaumaßnahmen im Vorfeld der Weltmeisterschaft zu Tausenden Zwangsumsiedlungen und zahlreichen sozialen Folgeproblemen geführt haben, fürchten insbesondere in Rio de Janeiro viele – gerade ärmere – Menschen die Zeit bis 2016, für die weitere Zwangsumsiedlungen teils ganzer Gemeinden rund um bestimmte Sportstätten geplant sind.

Anders als bei der Weltmeisterschaft, zu der auch in Städten ohne erstklassige Mannschaften gigantische Stadien errichtet wurden, betreffen die Olympischen Spiele zwar überwiegend die Strandmetropole Rio – dafür sollen aber auch Menschen wegen Sportarten umgesiedelt werden, die in Brasilien, das sportlich weitgehend auf Fußball, Formel 1 und Volleyball fixiert ist, kaum jemand interessieren. So soll etwa die friedliche Favela Vila Autódromo in Rios noblem Strandvorort Barra da Tijuca komplett geräumt werden und einem Olympiapark weichen. Die Bewohner leisten beharrlich Widerstand gegen diese Pläne. In Rios Nordviertel Deodoro gibt es ähnliche Probleme.

Barra da Tijuca ist eine Strandmeile, an Miami erinnernd, die vor allem von wohlhabenden Brasilianern bewohnt und besucht wird. Wie bereits bei der Weltmeisterschaft kritisieren soziale Initiativen und politische Gruppen, dass mit dem Großereignis Steuergelder in beträchtlichem Umfang für die Hobbys von überwiegend Reichen ausgegeben werden. Die Kosten für ein nationales Reitzentrum, ein Wildwasserzentrum und den Mountainbike-Park sind schon heute Gegenstand der politischen Kontroverse in der Stadt.

Doch auch von anderer Seite wird auf die Stadtverwaltung starker Druck ausgeübt: So haben bereits internationale Segel-Delegationen moniert, dass es unmöglich sei, in den Gewässern von Rio de Janeiro einen olympischen Segelwettkampf durchzuführen. Die große Guanabara-Bucht ist seit Langem ein ernstes Problem für die Stadt. In manchen Teilen verbreitet sie als reine Kloake einen beißenden Gestank. Etwa zwei Drittel der Abwässer Rios werden ungeklärt in die Bucht oder ins Meer geleitet. Ab und zu treiben Hausmüll oder Möbel darin, auch sollen nach Schießereien gern mal Leichen in der Bucht entsorgt werden.

Nicht nur Segler, auch zahlreiche andere internationale Sportverbände fürchten sich also noch vor den Spielen.

Zuletzt hatte das Internationale Olympische Komitee eine bessere Vorbereitung angemahnt und darauf hingewiesen, dass zwei Jahre vor den Spielen viele Bauarbeiten langsam mal beginnen sollten. Das stimmt in der Tat, die Arbeiten sind zeitlich enorm in Verzug. Gemaule vonseiten pünktlichkeitsfixierter Sportfunktionäre gab es allerdings auch vor der Fußballweltmeisterschaft reichlich. Letztlich war es unbegründet. MARTIN KAUL

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