Waldarbeiter spielen Mikado

Eine Woche nach dem Orkan „Kyrill“ laufen immer noch Aufräumarbeiten in den Wäldern. Im Forst Köpenick hat der Sturm Kiefern geknickt wie Mikadostäbe. Viele Spaziergänger ignorieren die Gefahr

VON TIM WESTERHOLT

So sieht Verwüstung aus: Orkan „Kyrill“ hat hier, im Revier Müggelheim, eine breite Schneise in den Wald gerissen. Auf mehreren hundert Metern hat der Wind die bis zu 35 Meter hohen Kiefern entwurzelt und 60 Zentimeter dicke Stämme wie Strohhalme geknickt. Andreas Scheller, Leiter des Forstamts Köpenick, tritt auf die Bremse seines Geländewagens. Mehrere Bäume sind auf die Straße gestürzt. Drei Waldarbeiter sind damit beschäftigt, die gebrochenen Stämme mit Kettensägen zu zerkleinern und von der Straße zu zerren.

Hier im Köpenicker Forst zeigt sich: Die Stürme vom vergangenen Freitag und Sonntag haben nicht nur den Hauptbahnhof ins Wanken gebracht. Marc Franusch, Sprecher des Landesforstamtes, berichtet: „5.500 Kubikmeter Holz sind den Stürmen zum Opfer gefallen.“ Zum Vergleich: Mit dieser Menge könnte man zwei olympische Schwimmbäder füllen. Allein im Köpenicker Forst seien mehrere tausend Bäume umgestürzt, so Franusch. Es traf vor allem ältere Bäume. Wo es heftig wehte, sind die Schäden naturgemäß groß: Auch der Grunewald hat stark gelitten. In den beiden anderen Forsten in Pankow und Tegel seien die Zerstörungen hingegen am geringsten ausgefallen, sagt Forstensprecher Franusch.

Wie groß der finanzielle Schaden ist, bleibt vorerst unklar. Dies könne noch nicht abgeschätzt werden, sagt Franusch. Die meisten der umgestürzten Bäume wären sowieso gefällt worden. Und das Holz werden die Forsten wie geplant verkaufen, wenn auch zu niedrigeren Preisen – als so genanntes Spanholz, das zu Pressspan-Platten verarbeitet wird. Das Fazit des Forstensprechers: Die Schäden reichen nicht an die des letzten starken Sturmes im Jahr 2002 heran.

Förster Scheller steigt über zersplitterte Stämme und zeigt auf Stämme, die wie Mikadostäbe auf einem Haufen liegen. „In den 18 Jahren, die ich jetzt hier als Förster arbeitete, hat es dieses Revier noch nie so hart erwischt“, erzählt er. Alleine in seinem Revier seien 7 Hektar Wald, die Fläche von zehn Fußballfeldern, zerstört worden. 90 Prozent der flachgelegten Bäume sind Kiefern, die nur flach im Boden wurzeln. Einen Zusammenhang sieht Scheller dennoch nicht. „Ab Windstärke 8 ist es egal, welche Bäume betroffen sind“, sagt er. „Dann kann alles fallen.“

Einer seiner Waldarbeiter motzt unter dem gelben Sicherheitshelm hervor: „Seit Freitag arbeiten wir nun mit acht Mann jeden Tag durch. Dabei sind bis jetzt noch nicht einmal die Wege wieder vollständig geräumt.“ Ihre normalen Tätigkeiten seien deswegen völlig zum Erliegen gekommen, erklärt er. Zwar sähe es nicht im gesamten Revier aus wie hier, doch überall wo die Böen mit bis zu 160 Stundenkilometern aufgetroffen seien, hätte „Kyrill“ die Kiefern mit Leichtigkeit zur Seite gerissen.

Die Aufräumarbeiten im Forst werden laut Förster Scheller noch bis Ende Oktober andauern. Die Wege könnten bis zum Ende nächster Wocher nicht wieder geöffnet werden. Vor allem die nur halb gestürzten Bäume sind gefährlich, die sich an noch stehende Bäume lehnen. Schon ein leichter Windstoß kann dazu führen, dass der Druck zu groß wird und alles zusammenbricht. Auch die abgeknickten Baumkronen, die noch immer an den Stämmen hängen, könnten leicht auf die Wege fallen.

Manche Bewohner Müggelheims schert das bisher nicht. Immer wieder ignorieren unbedarfte Waldspaziergänger Warnungen, zum Beispiel das rote Absperrband vor den Forstzugängen. „Typisch Städter“, meint Förster Scheller, der jeden Tag mehrere Besucher über die Risiken aufklären muss. „Sie glauben, der Wind sei ja fort, daher müsse es auch die Gefahr sein.“