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Die Rache des Hasen

BEWEGTE LINIE Die Galerie Fruehsorge stellt mit „Lines Fiction“ sechs Animationsfilme vor, die allesamt in kleinen Künstlerateliers entstanden sind

Auf dem Papier ist sein Strich so zart, so behutsam weich und grau, als ob man die Tiere und Männchen aus Bleistift einfach vom Blatt pusten könnte. Aber Per Dybvig, Zeichner aus Norwegen, kann auch anders. Fett, krakelig, ausbüchsend nach links und rechts vom ersten Nehmen der Richtung sind die Kohlestriche, mit denen er einen kleinen bösen Film gezeichnet hat: vom Hasen, der Zigarre rauchend einen Jäger verfolgt, dessen Hunde mit Pistolen und Messer bedroht, sein Haus anzündet, während der Jäger heulend auf einem Baumstumpf sitzt.

Lust am bösen Tun

Nun ist seit Duffy Duck, dem legendären Vorgänger von Donald, solche Lust am bösen Tun klassisches Erbe des Zeichentricks – nicht zuletzt, weil die gezeichneten Figuren jedem Darsteller aus Fleisch und Blut eine außerordentliche Fähigkeit, sich nach dem Malträtiertsein wieder zu erholen, voraushaben. Auch Per Dybvig weiß um diese Macht, als Zeichner nach eigenen Regeln spielen zu können. Das verbindet ihn und die anderen Künstler aus den USA und Europa, die mit Zeichnungen und Animationen in der Galerie Fruehsorge ausstellen.

Serge Onnen nutzt für die Präsentation der Animation zwar einen Flachbildschirm, knüpft in der Anordnung seiner Zeichnungen aber an die bewegten Bilder an, die dem Film vorausgingen, als man bemalte Papierstreifen in eine Trommel mit Sehschlitzen einlegte. Er ordnet kreisförmige Bildfenster in konzentrischen Ringen, und das ganze Blatt um die Mittelachse gedreht lässt das Auge blinzeln, die Wasserflasche über die Ladentheke gehen, leertrinken und platttreten: Denn einfache Material- und Warenkreisläufe sind sein Thema. Das Handgemachte der Technik entspricht hier einem inhaltlichen Bewusstsein vom Wert des einfachen Dings, das, je öfter es genutzt wird, umso kostbarer wird.

Solche inhaltliche Aufladung des Mediums spielt für alle Künstler der Ausstellung „Lines Fiction“ eine Rolle. Katrin Ströbel beschäftigt sich mit lateinischer und arabischer Schrift und dem westlichen Befremden gegenüber Ornamentik und Kalligrafie: Im bewegten Bild schreibt sie rechts- und linkshändig, in beide Richtungen, spiegelbildlich das Wort Frau und steigt so mit einer Bewegung des Körpers, über das Handgelenk, in das Ungewohnte der islamischen Kultur ein. Bettina Munk, die die Ausstellung auch kuratiert hat, nutzt Zufallsoperationen, um sich Punkte vorgeben zu lassen, zwischen denen atmende Linien ein immer dichteres Geflecht ziehen. Vom Bildschirm ausgehend fließen die Linien über ihre Blätter, kreuzen sich, biegen sich, münden in einen zweiten Bildschirm: So entsteht eine immer neue Komplexität.

Die Großen wollen auf Filmfestivals

Eigentlich war der Plan von Bettina Munk gewesen, auch Animatoren von großen Trickfilmproduktionen mit ihren Zeichnungen einzuladen, aber es stellte sich bald heraus, dass eine Galerie für diese Designer kein attraktiver Ort war. Sie wollen auf Filmfestivals. So sind die Künstler geblieben, die ohne großen Apparat und Filmindustrie im Hintergrund in ihrem Atelier zur Animation gefunden haben, als logische Fortsetzung einer Bewegung, die in ihren Arbeiten schon angelegt war.

KATRIN BETTINA MÜLLER

■ Galerie Fruehsorge, „Lines Fiction“, Di.–Sa. 11–18 Uhr, bis 26. Februar

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