Sauber Kohle machen mit Öko-Zertifikaten

Ökologisch orientierte Anleger können inzwischen auf zahlreiche Finanzprodukte zurückgreifen. Eine Möglichkeit: grüne Indexzertifikate, die eins zu eins die Entwicklung mehrerer Unternehmen widerspiegeln. Doch viele Indizes sind krisenanfälliger, weil sie thematisch enger ausgerichtet sind

„Wir sollten froh sein, dass der Finanzmarkt solche Möglichkeiten geschaffen hat“

Die Finanzbranche hat die alternativen Energien und natürlichen Ressourcen als Handelsobjekt entdeckt. Während die Moguln der Wertpapiere früher nur mit einem ironischen Lächeln auf die Ökologiebranche blickten, entwickelt die Finanzwelt heute ständig neue Produkte, die Sonne, Wind und andere natürlichen Ressourcen handelbar machen. Eine Ursache: der steigende weltweite Energiehunger.

Gerade erneuerbare Energien bieten bieten nicht nur nachhaltige Wachstumschancen, sondern sie vermeiden auch den bedrohlichen Treibhauseffekt: Wind, Wasser und Solarenergie gewinnen an Bedeutung als Strom- oder Heizquelle. Biomasse könnte stärker als bisher als Grundstoff für die Benzinerzeugung dienen.

Für Anleger, die sich in der Ökologie finanziell engagieren wollen, gibt es eine Reihe von Partizipationsmöglichkeiten: Aktien, Fonds und Zertifikate. Börsengehandelte grüne oder ethische Zertifikate gibt es heute auf alle wichtigen alternativen Energieformen und agrarischen Rohstoffe, die für eine ökologische Energieerzeugung Bedeutung haben. In Deutschland ist eine Triebfeder dieser Entwicklung die sogenannte Beimischungspflicht, die 2007 in Kraft tritt. Danach müssen die Mineralölhersteller ihren Kraftstoffen künftig eine Biokomponente beimischen. Dieselkraftstoffe enthalten bereits heute meist rund fünf Prozent Biodiesel.

Die grünen Wertpapiere kommen oft als Indexzertifikate daher. Diese Indexzertifikate bilden eins zu eins die Entwicklung mehrerer Unternehmen ab. Für Anleger mindert dies die Risiken, weil der Einsatz breiter gestreut wird.

Der Indexkurs berechnet sich aus den Börsenkursen der in den Index aufgenommenen Unternehmen. Sollte ein Unternehmen hohe Kursverluste an der Börse erleiden, würde dies den Index zwar berühren, aber nur in geminderter Form.

Dow Jones Indexes und die SAM Group haben im Auftrag der Bank Société Générale mehrere Öko-Indizes geschaffen, auf die die Bank Zertifikate ausgegeben hat. Im European Renewable Energy Index (ERIX) sind Unternehmen zusammengefasst, die ihren größten Umsätze mit Biomasse, Geothermie, Meeresenergie, Solar, Wind oder Wasser erzielen.

Unter den zehn europäischen Unternehmen befinden sich vier deutsche, darunter die Solarworld AG und die Q-Cells AG. Die prozentuale Gewichtung der Unternehmen im Index wird vierteljährlich angepasst. Das entsprechende Zertifikat mit der Wertpapierkennummer (WKN) SG1ERX kostet jährlich 0,85 Prozent Managementgebühren und ist mit einer endlosen Laufzeit (Open end) ausgestattet. Die ausgeschütteten Dividenden der Unternehmen werden netto reinvestiert. Vergleichbare Indizes mit anderen Themen hat die Société Générale für Wasser (Wowax), Sonnenenergie (Solex), Bioenergie (Biox) und alternative Energien weltweit (Waex) geschaffen.

Es gibt weitere grüne Indizes und entsprechende Zertifikate vieler Anbieter. Die Deutsche Börse in Frankfurt hat vor wenigen Monaten den DAX-Global-Alternative-Energy-Index kreiert. Er bildet die Kursentwicklung der weltweit größten 15 Unternehmen aus den Bereichen Erdgas, Wind, Solar, Ethanol und Geothermik/Hybridantrieb/Batterien ab. Ein entsprechendes Open-end-Zertifikat bietet die Deutsche Bank an (WKN DB6GHS). Goldman Sachs vertreibt ein gleichwertiges Produkt (WKN GS0HHU).

Wohl kaum eine andere Branche hat sich so sehr globalisiert wie die Finanzindustrie. Ohne Derivate, zu dieser Klasse gehören die Zertifikate, wäre der Turbo-Kapitalismus kaum denkbar. Sebastian Bleser, Zertifikate-Spezialist bei der Société Générale, hält solche Finanzinstrumente auch im Bereich Ökologie „im Rahmen des bestehenden Systems für positiv“. Denn „sauberen Unternehmen“ würden, weil die Emittenten nach dem Verkauf von (ethischen) Zertifikaten die entsprechenden Aktien nachkauften, auf diese Weise Kapital für weitere Aktivitäten zugeführt. „Deshalb sollten wir froh sein, dass der Finanzmarkt solche Möglichkeiten geschaffen hat“, so Finanzexperte Bleser.

Dass Unternehmen in hohem Maße vom Verkauf von Zertifikaten profitieren, ist nicht selbstverständlich. In den Jahren 2000 und 2001, zu Zeiten des Börsen-Hypes, waren Banken risikofreudiger und verzichten manchmal umfänglich darauf, den Zertifikatehandel mit Aktien zu unterlegen, berichtet Bleser. „Banken haben mittlerweile ein anderes Sicherheitsdenken. Heute ist es üblich, dass offene Positionen im Zertifikategeschäft umgehend oder spätestens am Ende des Tages abgesichert sind.“ Nicht zuletzt zum Vorteil grüner Unternehmen. Eine Verpflichtung zum Unterlegen mit Aktien haben Banken nicht, denn Zertifikate sind „nur“ Schuldverschreibungen. Anders als bei Aktienfonds sind Banken deshalb nicht gezwungen, Aktien nachzukaufen, wenn sie Zertifikate abgesetzt haben. Es gibt viele Unternehmen, die ihr Geschäft nicht ausschließlich nach grünen oder ethischen Standards betreiben. „Viele Papiere haben einen Makel in der ethisch-ökologischen Umsetzung“, schreibt der Börsenbrief Öko-Invest. In manchem grünen Index tummeln sich Unternehmen, die wenig Chancen hätten, in Ökofonds mit höheren Anforderungen aufgenommen zu werden.

Ein anderes Problem ist die thematische Enge vieler Indizes. Das macht sie krisenanfälliger, zumal „der Bereich der erneuerbaren Energie durch stärker schwankende Kurse gekennzeichnet ist“, heißt es bei der Société Générale. Auch sind die Indizes oft nicht besonders breit aufgestellt. Längst nicht jeder Index kann wie die Down Jones Euro Stoxx Sustainability mit 70 Werten aufwarten. Manchmal sind es nur rund zehn Titel. Das erhöht auch für private Anleger die Risiken.

TILMAN VON ROHDEN