Der Gute, der Betrüger, die „blutige Hand“

GEDENK-KULTUR II Seit heute hat Bremen einen Nelson-Mandela-Park. Doch die Umbenennung bestehender Kolonialisten-Straßen ist immer wieder ein schwieriger Kommunikations-Akt zwischen Anwohnern und Verwaltung

Vier Typen von Akteuren bestimmen die komplexen Auseinandersetzungen bei Umbenennungen von Straßen und Plätzen: zum ersten störrische AnwohnerInnen; zweitens solche, die die Initiative ergreifen; zum Dritten desinteressierte Verwaltungen und viertens solche, die kreativ agieren. Bremen hat nun ein Beispiel, bei dem die positiven Varianten beider Seiten aufeinandertreffen. Ergebnis ist der Nelson-Mandela-Park direkt hinter dem Hauptbahnhof, der heute eingeweiht wird.

Die Initiative zu Ehrung des Anti-Apartheid-Kämpfers kam aus der Bevölkerung. Häufig sind es jedoch gerade die Anwohner, die an ihren angestammten Straßennamen festhalten – und dafür die Vita selbst der fiesesten Kolonialisten schönreden. Zum Beispiel die von Carl Peters. Der erwarb sich als kaiserlicher Kolonialbeamter in Deutsch-Ostafrika die Beinamen „blutige Hand“ und „Hänge-Peters“, wurde unehrenhaft aus dem Dienst entfernt – und erst im „Dritten Reich“ wieder rehabilitiert. Das jedoch offenbar so nachhaltig, dass sich die große Mehrheit der Anwohner gegen den „bodenlos unverschämten“ Vorschlag des Ortsamts verwahrte, ihre Peters-Straße umzubenennen. Nicht mal die Zusicherung des Senats half, alle privaten Adress-Änderungskosten zu übernehmen.

An dieser Stelle kommt der Typus kreative Verwaltung ins Spiel. Die ließ das Straßenschild um den Zusatz ergänzen, dass die Straße nun nicht mehr dem Kolonialisten, sondern einem gleichnamigen Strafrechtsreformer gewidmet sei. Wobei dieser Namens-Rochade entgegenkam, dass der Jurist tatsächlich mit „K“ geschrieben wird, wie es früher fälschlicherweise bei dem Kolonialisten geschehen war.

Die umgekehrte Rollenverteilung erlebt Bremen in Sachen Lüderitz: Der Bremer Kaufmann betrog die Bevölkerung im heutigen Namibia nach Strich und Faden und „erwarb“ so den Kern von Deutsch-Südwest. Seit den 1970er-Jahren gibt es immer wieder Initiativen, dem als „Lügenfritz“ bekannten Kolonialisten die Straße abzunehmen, doch von offizieller Seite kommt dafür keinerlei Unterstützung – immerhin steht Lüderitz auf der Ehrenbürgerliste der Stadt Bremen.

In Sachen Mandela jedoch verlief der Benennungs-Prozess so mustergültig, dass er einem Handbuch namens „Demokratie vor Ort“ entnommen sein könnte. Ein engagiertes Ehepaar schlug den Friedensnobelpreisträger für die bislang namenlose Grünfläche vor. Es startete eine Petition, die Senatskanzlei signalisierte Zustimmung, im Stadtteil-Beirat gab es keine Gegenstimme. Im Gegenteil: Beiräte stellten ein Umbenennungs-Fest auf die Beine, das heute, an Mandelas Geburtstag, stattfindet. Auf diese Art wird auch ein Namensschild finanziert, das für Grünanlagen nicht zwingend vorgesehen und deswegen in einem Haushaltsnotlageland vom Amt nicht bezahlbar ist.

Neu-Benennungen sind naturgemäß einfacher als Umbenennungen, auch die anderen Umstände sind denkbar günstig: Erstens ist Mandela in Europa äußerst populär und zweitens ist er tot, was ihn nach deutschem Verwaltungsrecht erst würdigbar macht. Vor allem jedoch ist der neue Mandela-Park der Ort, an dem sich die Stadt schon seit Jahrzehnten an ihrem Verhältnis zum Kolonialismus abarbeitet.

Mittendrin im nunmehrigen Mandela-Park steht ein zehn Meter hoher Backstein-Elefant, der 1932 als „Reichskolonialehrenmal“ eingeweiht und 1990 zum „Anti-Kolonialdenkmal“ umdeklariert wurde. Ein Verein kümmert sich um die kulturelle Nutzung der unter dem Elefanten gelegenen Krypta. Ursprünglich wurde dort der 1.490 deutschen Soldaten gedacht, die im Ersten Weltkrieg in den Kolonien starben. Seit 2009 erinnert ein Steinkreis neben dem Elefanten auch an 60.000 Herero und Nama, die im damaligen Deutsch-Südwest umgebracht wurden. Unter dem Elefanten selbst finden Konzerte und Lesungen statt.

Soweit der aktuelle Idealfall – der nun auch bei schwierigeren Umständen der Wiederholung harrt. Im Fall der Lüderitzstraße stände mit Alexander Lüderitz ein wichtiger Rechtswissenschaftler als Ersatz-Patron parat. Wahlweise auch ein Schlagzeuger, ein Immunologe, zur Not noch ein Tischtennisfunktionär. Die konsequentere Alternative heißt freilich: Tabula rasa. Wobei ein neues Straßenschild per zweizeiligem Zusatz erklären müsste, wer hier warum nicht mehr geehrt wird.  HENNING BLEYL