„Der traditionelle und der Onlinehandel ergänzen sich“

EINKAUFEN Karstadt hat viele Fehler gemacht, sagt Jörg Funder von der Hochschule Worms. Aber das Konzept Warenhaus hat in Deutschland noch Potenzial

■ 41, ist seit 2008 Professor für Unternehmensführung im Handel an der Hochschule Worms. Er verfügt über langjährige Praxiserfahrung in Handelsunternehmen, als operativer Manager wie auch in Strategieabteilungen.

taz: Herr Funder, welche Fehler wurden bei Karstadt gemacht?

Jörg Funder: Das Management hätte viel früher und nachhaltiger mit der Restrukturierung beginnen und schauen müssen, welche Filialen langfristig ertragreich zu betreiben sind. Und man hätte viel stärker investieren müssen, vor allem in die Verknüpfung des stationären mit dem Onlinegeschäft. Ein Fehler war auch, internationale Marken einzuführen, die in Deutschland viele Kunden nicht kennen.

Wo müssten die Mittel für Investitionen herkommen?

Wenn man darauf wartet, Erträge zu reinvestieren, dauert das zu lange. Wer – mit einem guten Konzept – aus der Krise kommen will, muss schnell investieren. Da ist der Eigentümer in der Pflicht.

Wie viele Filialen sind überlebensfähig?

Das Konzept Warenhaus ist ein sehr tradiertes Handelsformat. Um zu funktionieren, braucht man viele Kunden, die ähnlich sind. Deutschlandweit gibt es etwa ein Potenzial von 60 bis 70 Warenhäusern, die zentral betrieben werden. Derzeit gibt es noch mehr als 80 bei Karstadt und mehr als 100 bei Kaufhof. Mittelfristig wäre es sinnvoll, wenn beide Wettbewerber sich zusammentun würden.

Ist das Warenhaus out?

Nein. Neben den zentral organisierten Warenhäusern haben wir etwa 150 in Deutschland, die von lokalen Unternehmern betrieben werden. Diese Häuser können mit ihrer regionalen Kompetenz punkten, sowohl bei den Produkten als auch bei der Vermarktung.

Führt der Internethandel zur Verödung der Innenstädte?

Nein. Das Internet ist längst ein Bestandteil des Handels geworden. Es ist ein alternativer Vertriebskanal, den man – wie den herkömmlichen – sinnvoll nutzen muss. Beispielsweise kann man online ein erweitertes Sortiment anbieten und so Warenbestände in den Häusern und damit Kosten reduzieren.

Welche Vorteile bietet der traditionelle Handel?

Shoppen oder bummeln gehen ist oft sozial, das macht man mit der Familie oder Freunden. Das wird so am Rechner nie funktionieren. Außerdem können Kunden die Produkte sehen und fühlen, das ist etwa bei Möbeln oder teurer Kleidung wichtig. Durch die Interaktion mit den Kunden lernt der Handel deren Bedürfnisse kennen; er kann bei der Präsentation oder der Zusammenstellung von Sortimenten darauf eingehen.

Im Geschäft werden Kunden auch beraten …

Damit wirbt der Handel gern, aber die Beratung ist nicht entscheidend. Im Internet gibt es viel mehr Informationen zu den Produkten, als in einen Verkaufsgespräch vermittelt werden können. Außerdem verlassen sich Käufer gern auf die Meinung anderer Kunden, und die können sie nur im Internet oder im Bekanntenkreis erfahren.

INTERVIEW: RICHARD ROTHER