Auf dem Weg zum Ankündigungsminister

Klimapolitik in Nairobi und Berlin: Umweltverbände reagieren zunehmend gereizt auf die Ankündigungen von Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD). Sie werfen ihm vor, er habe in seiner Amtszeit nichts erreicht

VON ELISABETH SCHERER
UND NICK REIMER

Nun läuft er also, der Weltklimagipfel in Nairobi. Und bereits am ersten Tag kristallisierte sich in Kenias Hauptstadt ein Konfliktfeld heraus: die Entwicklungsländer. „Wir müssen deshalb in Nairobi ein Klima des Vertrauens schaffen, um die Entwicklungsländer ins Boot zu holen“, forderte der Konferenzorganisator Yvo de Boer. „Der Klimawandel droht alle bislang erreichten Erfolge im Kampf gegen die Armut zunichtezumachen“, kritisierte der Konferenzpräsident, Kenias Umweltminister Kivutha Kibwana, in seiner Eröffnungsrede. Deswegen sei mehr Geld aus dem Norden nötig – Kibwana nannte das „konkrete Hilfszusagen von den Industriestaaten“.

In dieser Woche stehen zunächst Verhandlungen auf Beamtenebene an: „Wir sondieren zunächst das Klima unter den Vertragsparteien“, erklärte eine deutsche Diplomatin, die in die EU-Troika eingebunden ist. In dieser engagieren sich neben Experten der EU-Kommission auch finnische Diplomaten – Finnland hat derzeit die EU- Ratspräsidentschaft inne. Bis zur nächsten Woche wollen die 6.000 angereisten Klimadiplomaten die Grundlagen für das sogenannte Ministersegment legen: Dann werden auch Bayerns Umweltminister Werner Schnappauf (CSU) und Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) bei der Konferenz erwartet.

Sigmar Gabriel muss sich allerdings schon jetzt mit einem Klimawandel herumschlagen, wenn auch ganz anderer Art. „Mir fällt nichts Konkretes ein, was Umweltminister Gabriel in seiner einjährigen Amtszeit für den Klimaschutz erreicht hat“, wettert Gerhard Timm, Geschäftsführer des BUND. Mehr Geld für den Klimaschutz zu fordern, eine ökologische Industriepolitik sogar, sei sicher gut und richtig. Timm: „Gabriel muss aber aufpassen, nicht zum Ankündigungsminister zu werden.“

Ähnlich urteilt Olaf Tschimpke, Präsident des Naturschutzbunds NABU. Die Besteuerung von Flugbenzin, ein klimawirksamer Zertifikatehandel, Umsteuern in der Energiepolitik – die Liste der Baustellen ist lang. Tschimpke: „Global fordern und national aufschieben kann sich keine Regierung mehr leisten.“ Gabriel müsse auch mit Blick auf die bevorstehende EU-Ratspräsidentschaft die Chance nutzen und Zeichen setzen, dass Deutschland bereit sei, weiter eine Führungsrolle zu übernehmen. Greenpeace-Klimaexperte Karsten Smid warf Gabriel sogar „Doppelzüngigkeit“ vor: „Man kann doch nicht einerseits mehr Klimaschutz fordern und andererseits Braunkohlekraftwerke genehmigen.“

Umweltminister Gabriel hatte am Wochenende angekündigt, dass er die sogenannten Verschmutzungsrechte für Energiekonzerne zukünftig versteigern werde. Gerade aber hatte der Minister für die Verschmutzungsrechte für die zweiten Handelsperiode zwischen 2008 und 2012 den Unternehmen kostenlos überlassen. Ob er aber für die Gestaltung der dritten Handelsperiode zuständig ist, war gestern noch unklar: Termin ist das Jahr 2010. Nach den nächsten Wahlen.

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