Iran feiert Propagandaerfolg

DEUTSCHE REPORTER Der Besuch von Außenminister Westerwelle und sein Treffen mit Präsident Ahmadinedschad wird in Teheran als eine Niederlage der EU gewertet

Beinahe hätte Präsident Abdullah Gül Westerwelle die Schau gestohlen

VON BAHMAN NIRUMAND

Woher der überraschende Sinneswandel der iranischen Justiz kam, die beiden BamS-Reporter Marcus Hellwig und Jens Koch freizulassen, ist im Iran derzeit Gegenstand von Spekulationen. Noch vor kurzem hieß es, der Fall werde geprüft, ein Prozesstermin stehe noch nicht fest. Nun lautet die offizielle Begründung, die Männer seien von anderen Beschuldigten benutzt worden. Sie hätten daher „islamisches Mitgefühl“ verdient. Immerhin kassierte die Justiz für jeden Gefangenen 36.500 Euro. Zudem musste sich der Axel Springer Verlag, bei dem die BamS erscheint, entschuldigen.

Eine politisch weit gewichtigere Bedingung stellte nach Agenturmeldungen die iranische Regierung: Der deutsche Außenminister solle, wenn er die beiden Journalisten aus Teheran abholen wolle, Staatspräsident Mahmud Ahmadinedschad und Außenminister Ali Akbar Salehi einen Besuch abstatten. Die Entscheidung dürfte Guido Westerwelle nicht leichtgefallen sein. Immerhin hatte er in den vergangenen Wochen den Kampf der arabischen Völker gegen Diktatur und Unterdrückung gepriesen. Und nun sollte er einem Präsidenten die Hand reichen, auf dessen Befehl wenige Tage zuvor die Proteste der Opposition brutal niedergeschlagen, zwei Menschen getötet und zahlreiche verletzt worden waren. Doch Westerwelle stimmte zu, vielleicht auch mit dem Blick auf die Wahl in Hamburg.

Im Iran wurde der Besuch des deutschen Außenministers als politischer Erfolg propagiert. Es sei eine schwere Niederlage für die EU, deren Außenminister beschlossen hätten, den Iran nicht zu besuchen, sagte Vizeaußenminister Hassan Ghaschghawi. „Aber die Reise von Westerwelle hat dieser Entscheidung quasi widersprochen.“ Die Agentur Isna hat geschrieben, die beiden Reporter seien bei den Gesprächen zwischen Westerwelle und Ahmadinedschad nicht das Hauptthema gewesen, sondern Verhandlungen über internationale Themen und deren Fortsetzung, eine Anspielung auf den Streit über das iranische Atomprogramm.

Beinahe hätte der türkische Staatspräsident Abdullah Gül Westerwelle die Schau gestohlen. Türkische Medien meldeten, dass Gül sich auf Bitten von Bundespräsident Christian Wulff bei einem Besuch letzte Woche in Teheran offenbar mit Erfolg für die Freilassung der beiden Journalisten eingesetzt habe. Es sei ursprünglich geplant gewesen, die Deutschen an Bord von Güls Maschine in die Türkei auszufliegen. Dafür habe die Zeit aber nicht gereicht.

Hellwig und Koch waren im Oktober verhaftet worden, als sie den Sohn und Anwalt von Sakineh Aschtiani interviewen wollten. Die Frau war wegen Ehebruchs zum Tod durch Steinigung verurteilt worden.

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