Ungebremster Ausstoß

Vorstand und Gesamtbetriebsrat von Daimler Chrysler sehen wegen drohender EU-Umweltauflagen tausende Jobs in Bremen in Gefahr. Die dort gebauten Autos pusten viel mehr Abgase in die Luft, als die Industrie selbst es versprach

Diese Ankündigung lässt aufhorchen: Tausende Arbeitsplätze seien bei Daimler Chrysler bedroht, auch in Bremen, wo der Autobauer 14.500 Menschen beschäftigt. Das verkündet der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Erich Klemm. Schuld daran sei die EU – weil sie den CO2-Ausstoß je Neuwagen auf 120 Gramm pro Kilometer begrenzen will. „Das kommt einem Arbeitsverbot für die Bremer Kollegen gleich“, sagte Klemm gestern. Axel Sack vom Bremer Betriebsrat indes kommentierte Klemms Äußerungen über den Standort Bremen so: „Das ist absoluter Blödsinn.“

Wenn die EU ihre Ankündigung wahr mache, sagt Klemm, „dann müssen wir unsere Fabriken schließen, in denen C-, E- und S-Klasse produziert werden“. Es sei jedenfalls bis 2012 technisch unmöglich, die EU-Vorgaben überhaupt umzusetzen. In Bremen entsteht unter anderem die C-Klasse. Ähnlich wie der Gesamtbetriebsrat hatten sich zuvor die Chefs aller deutschen Autokonzerne geäußert.

Die Werksleitung habe mit dem Betriebsrat bislang nicht über drohende Massenentlassungen oder gar Werkschließungen in Bremen gesprochen, sagt Sack dagegen. „Ich kenne diese Debatte aktuell nicht.“ Auch der Gesamtbetriebsrat, der gestern über die Folgen der möglichen Klimaschutz-Auflagen beriet, ruderte zurück. Klemms Aussagen seien in der Presse verkürzt worden, hieß es aus seinem Büro.

Die Automobilhersteller selbst hatten sich vor wenigen Jahren verpflichtet, den Kohlendioxidausstoß ihrer Neuwagenflotte 2008 auf durchschnittlich 140 Gramm pro gefahrenen Kilometer zu reduzieren. Der Flottendurchschnitt deutscher Autos liegt derzeit bei rund 160 Gramm. Doch auch die selbst gesetzte Vorgabe ist nicht einzuhalten: Das mit 183 PS motorisierte Einstiegsmodell der C-Klasse emittiert 188 bis 200 Gramm CO2 je Kilometer, beim 272 PS starken, eineinhalb Tonnen schweren Spitzenmodell liegt der Wert bei fast 240 Gramm.

Dennoch hat Daimler Chrysler gerade für diese Baureihe kürzlich das Umwelt-Zertifikat des TÜV verliehen bekommen, vom Unternehmen wird es auch stolz beworben. Die Vorgänger-Modelle pusteten etwa ein Drittel mehr Kohlendioxid in die Luft, sagt der Konzern, die aktuellen EU-Grenzwerte würden um 75 Prozent unterschritten.

Der Verband der Kritischen Aktionären des Konzerns (KADC) hat dem Autobauer gestern eine „massive Blockadehaltung“ vorgeworfen. Das Instrument der freiwilligen Selbstverpflichtungen sei gescheitert, kritisierte der Verband. Die EU-Kommission dürfe der Autolobby keinesfalls nachgeben. Das fordert auch die grüne Europaabgeordneten Helga Trüpel aus Bremen. Sie hält der deutschen Autoindustrie „rückwärts gewandte Starrsinnigkeit“ vor. mnz