Angst vor 6:0

Spaniens Handballer fürchten sich ein bisschen vor der deutschen Abwehr. Und vor dem närrischen Publikum

MANNHEIM taz ■ „Also wieder einmal ein Viertelfinale gegen Deutschland“, sagt Luis Miguel Lopez und scheint erfreut und besorgt zugleich zu sein. Sein halbes Leben lang schon kommentiert der Mittfünfziger aus Madrid Handball für den zweiten Kanal des staatlichen Fernsehens in Spanien. Seine sonore Stimme und die mitreißende Berichterstattung sind weit über die Handballszene hinaus bekannt. Das letzte Viertelfinale zwischen Spanien und Deutschland hat „la voz del dos“ (zu deutsch: die Stimme des Zweiten) noch allzu gut in Erinnerung. Riesige Einschaltquoten bescherte die Begegnung von den olympischen Spielen in Athen 2004 seinem Sender – der spanischen Mannschaft allerdings nach der zweiten Verlängerung eine Niederlage; damals avancierte Torhüter Henning Fritz beim 32:30 des DHB-Teams nach Siebenmeter-Werfen zum umjubelten Matchwinner.

Begleitet wird Luis Miguel Lopez von einer weiteren Kapazität im internationalen Handball: Juan de Dios Roman, acht Jahre lang spanischer Nationaltrainer, danach bis 2005 Vereinstrainer von Ciudad Real, mit denen er unter anderem die nationale Meisterschaft gewann. Auch Juan de Dios, jetzt in der Rolle des Co-Kommentators, hat gemischte Gefühle, wenn er an das morgige WM-Viertelfinale (17.30 Uhr, ARD) denkt: „Vergleicht man die einzelnen Spieler beider Mannschaften, müssen wir uns keine Sorgen machen. Im Grunde genommen ist Spanien auf jeder Position besser besetzt als Deutschland. Auf der anderen Seite haben wir im bisherigen Turnierverlauf nicht wirklich überzeugt.“

Die Iberer belegten in der Hauptrunde lediglich den dritten Platz von sechs teilnehmenden Mannschaften. Siegen gegen Russland und Ungarn stehen Niederlagen gegen Kroatien und Dänemark gegenüber. Vor allem auf das 23:27 gegen die Dänen spielt de Dios Roman an, wenn er fortfährt: „Was mir Sorgen macht, ist die 6:0-Abwehr der Deutschen. Ich weiß nicht, ob Spanien die richtigen Mittel dagegen finden wird. Außerdem habe ich Zweifel, ob die Spieler ihre Nerven behalten, wenn 18.000 Zuschauer gegen sie sind.“ Das Publikum wird das deutsche Team zweifellos auf seiner Seite haben. Darüber hinaus empfiehlt sich ein intensives Videostudium der Hauptrundenbegegnung zwischen Dänemark und Spanien.

Mit einer sehr harten 6:0-Abwehr ließ die dänische Defensive einen ordentlichen Spielfluss bei den Spaniern erst gar nicht aufkommen und legte insbesondere die spanische Mittelachse mit Spielmacher José Maria Rodrigues und Kreisläufer Rolando Urios lahm – just jene Spieler, die bei ihrem ersten großen Turnier in den Reihen der Iberer 2005 in Tunesien maßgeblichen Anteil am Gewinn des Weltmeisterschaftstitels hatten.

Gelänge es den Deutschen in ähnlicher Weise wie den Dänen, das Anspiel auf Urios zu unterbinden, bräuchte man nur noch zu versuchen, die wurfgewaltigen Rückraumspieler Entrerrios und Romero in Schach zu halten, die Gegenstöße der pfeilschnellen Außen García und Tomás zu unterbinden, um dann ab und an selbst einmal gegen den bisher einzig überzeugenden Spanier, den Torwart David Barrufet, erfolgreich zu sein.

Aber vielleicht kommt zum Faktor Publikum ja noch der Glücksfaktor dazu. Sodass Luis Miguel Lopez einen seiner markigsten Ausrufe diesmal nur für Würfe der spanischen Spieler durch die heimischen Wohnzimmer schallen lassen muss: „ A la madera!“ – An den Pfosten!

ANKE BARNKOTHE