Karneval in Köln

Die deutschen Handballer bezwingen Spanien im Viertelfinale der Weltmeisterschaft mit 27:25 und profitieren in der heiklen Schlussphase vor allem von der Unterstützung der Zuschauer

AUS KÖLN ANDREAS RÜTTENAUER

Es war ein merkwürdiges Spiel, das die deutsche Mannschaft da gestern Abend in Köln gewonnen hat. Fast immer lag die Mannschaft von Heiner Brand in Führung und doch hatte man nie den Eindruck, sie sei die bessere Mannschaft. Es war ein Spiel auf des Messers Schneide. Doch nach dem 27:25 steht das Team im Halbfinale der Handball-WM. „Da konnte man vor zwei Wochen noch nicht von ausgehen“, sagte Coach Heiner Brand. Und Holger Glandorf stammelte: „Ich weiß auch nicht, wie wir das schaffen – einfach machen“. Polen hat es gleichfalls ins Halbfinale geschafft. Das Team bezwang Russland mit 28:27. Im Halbfinale trifft die DHB-Auswahl auf Kroatien oder Frankreich (das Spiel war bei Redaktionsschluss noch nicht beendet).

Die erste Entscheidung war schon vor Spielbeginn gefallen. Markus Baur hatte es doch nicht rechtzeitig geschafft, fit zu werden. Michael Kraus, dessen Kosename Mimi mittlerweile beinahe jeder kennt, der sich auch nur am Rande für Handball interessiert, musste also noch einmal seine Mitspieler dirigieren. Als Shooting Star der Deutschen wurde der junge Irrwisch im Rückraum überall im Land gefeiert. So ist es auch in der Köln-Arena, die mit 19.000 Zuschauern bis auf den letzten Platz gefüllt ist.

Es wurde ja viel vom Heimvorteil gesprochen in den letzten Tagen. Die Stimmung im Lande, vor allem in den Hallen, habe die deutsche Mannschaft zu Leistungen inspiriert, die ihr nur wenige zugetraut hatten. Schon mehr als eine Stunde vor Beginn des Viertelfinals gegen Spanien hoben die Fans die Hände in die Höhe, um eine erste Welle durch die Halle schwappen zu lassen. Sie begannen früh zu feiern. Nach der derben Bierzeltfeier in der engen Arena von Halle/Westfalen und der aggressiven Atmosphäre in der Dortmunder Westfalenhalle, herrschte in Köln zunächst eine gelöste, beinahe schon lässige Partystimmung.

Als die Deutschen Mitte der ersten Hälfte einmal mit vier Toren in Führung lagen, lehnten sich dann doch tatsächlich die ersten Zuschauer zurück. Oliver Roggisch ruderte mit den Armen und foderte mehr Engagement von den Rängen. Er schien gemerkt zu haben, dass sich die Spanier trotz des andauernden Rückstandes alles andere als unwohl fühlten in der Halle. In aller Seelenruhe zogen sie ihr Spiel auf. Es sind nicht die jüngsten Spieler, die Spaniens Trainer Juan Carlos Pastor aufgeboten hat für diese WM. Die wurden ob ihrer bisweilen behäbigen Spielweise in diesem Turnier schon aus dem Kreis der Favoriten auf den Titel verbschiedet. Auch in Köln spielte der Titelverteidiger nicht berauschend, aber auch nicht schlecht. Die Spanier wirkten eher cool. Der 12:15-Rückstand zur Pause war kein Ruhekissen, auf dem sich die Mannschaft von Heiner Brand hätte ausruhen können.

Das lag auch daran, dass die Deutschen bis auf den erneut gut aufgelegten Henning Fritz im Tor keinen herausragenden Akteur in ihren Reihen hatten. Die Abwehr hatte vor allem mit einem Spieler massive Probleme. Den bulligen Kreisläufer der Spanier, Rolando Urios, bekam der deutsche Mittelblock nicht so Recht in den Griff. Die teilweise brachialen Angriffsversuche der Deutschen reichten dennoch lange, um eine kleinen Vorsprung zu halten. Doch die Fehlwurfquote von Pascal Hens, Holger Glandorf und Christian Zeitz aus dem Rückraum blieb gefährlich hoch. Zehn Minuten vor Schluss war es dann so weit: Es stand Unentschieden (23:23). Die Deutschen schienen am Ende ihrer Kräfte zu sein. Und dann? Zwei Tore, hatte Heiner Brand gesagt, gehen pro Spiel auf das Konto des Publikums. An diesem Tag schienen sie genau zum richtigen Zeitpunkt gefallen zu sein.