Pakistan: Anschlagserie vor Aschura-Fest

Attentate auf Schiiten fordern über ein Dutzend Tote. Musharrafs Doppelstrategie lässt Extremisten erstarken

BOMBAY taz ■ In Pakistan sind vor dem Aschura-Fest mehrere tödliche Anschläge auf schiitische Einrichtungen und Prozessionen verübt worden. An dem höchsten schiitischen Feiertag gedenken die Gläubigen des Todes von Imam Hussein, dem Enkel des Propheten Mohammed.

Das schwerste Attentat ereignete sich bereits am Samstag in der Hauptstadt der Nordwestprovinz Peschawar, wo ein Sprengsatz vor einer schiitischen Moschee mindestens dreizehn Menschen das Leben kostete und weitere sechzig verletzte. Am Montag zündete ein Selbstmordattentäter in der Nachbarstadt Dera Ismail Khan während einer Prozession einen Sprengsatz und tötete zwei Teilnehmer. Am gleichen Tag schlug in der Kleinstadt Bannu in der Grenzregion zu Afghanistan eine Rakete in eine schiitische Moschee ein: Elf Personen wurden verletzt. In der Stadt Hangu explodierten gestern in einem schiitischen Gebetshaus mehrere Raketen und verwundeten vierzehn Personen. Die meisten waren Polizisten. Die Moschee war scharf bewacht, nachdem dort vor einem Jahr bei einem Angriff vierzig Gläubige starben. Auch beim Attentat vom Samstag war das Ziel offenbar eine Polizeieininheit. Unter den Toten war der Polizeichef von Peschawar.

Die Regierung verurteilte die Attentate der „Feinde des Staats“. Präsident Pervez Musharraf ordnete umfangreiche Untersuchungen an. Früher war mit „Feinden des Staats“ der indische Geheimdienst gemeint, inzwischen sieht sich Pakistan jedoch mit wachsendem terroristischem Nachwuchs im eigenen Land konfrontiert. In Frage kommen wegen des Zeitpunktes extreme sunnitische Gruppen wie die verbotene Sipah-e-Sahaba. Sie konnte bislang überleben, weil Pakistan seit Jahren eine Politik der „guten“ und „bösen“ Terroristen betreibt. Die Sipah wurde lange toleriert, weil sie islamistische Strömungen im sunnitischen militärischen Establishment zu vertreten vorgab.

Musharraf, der einen toleranten Islam predigt, ist ein Gefangener dieser janusköpfigen Strategie. Die Nordwestprovinz wird von einer Koalition islamischer Parteien regiert, die 2002 mit Musharrafs Hilfe an die Macht kamen. Einige bekennen sich offen zur Unterstützung der Taliban in Afghanistan. Dasselbe wird dem pakistanischen Geheimdienst ISI nachgesagt, der als Pate der Taliban in den 90er-Jahren gilt. BERNARD IMHASLY