: Das Meer ist nur eine Pfütze
PARODIE „Kuba Beach – auch Reiche müssen weinen“ von Carolin Mylord in der Volksbühne zelebriert die satirische Form, vergisst dabei aber die Inhalte
Ein Quadratmeter, mit Klebeband markiert, eine Kugel auf einem Ständer darin: Was könnte das sein? Richtig, der Raucherbereich in einem Krankenhaus, dargestellt auf der Bühne der Volksbühne. Notwendig wurde diese Szene, weil Javier Rodriguez Rodriguez, Drogendezernent aus Havanna, in seinem Hotel in Florida angeschossen wurde. Jetzt besuchen ihn seine Frau Maria und eine amerikanische Staatsanwältin im Krankenhaus, aber auch ein Sheriff aus Miami und ein FBI-Agent haben Fragen an ihn wegen eines abgestürzten Flugzeugs.
Skurriles Körper-Drama
Das sind schon fünf, die qualmen und quatschen, auf engstem Raum. Mit ihnen quetschen sich sechs bis sieben andere Schauspieler auf diesem Fleck dicht an der Wand, blasen Rauch in die kaum noch vorhandene Luft, schlängeln sich durch zum Aschenbecher. Es sind solche Momente, in denen der Körper unabhängig vom ewig quasselnden Mund sein eigenes skurriles Drama aufführt, die in der Inszenierung „Kuba Beach – auch Reiche müssen weinen“ eine vielversprechende Energie erzeugen. Es geht um Sucht und Drogen, Nikotin und Kokain, Tote und Scheintote. Die Szenerie ändert sich ständig, das Publikum sitzt auf der Drehbühne und wird an wechselnden Kulissen vorbeigefahren, Filmbilder aus Havanna oder Großaufnahmen der konspirativ ins Kabuff abgetauchten Schauspieler sorgen für weitere Schnitte in der Szenenkomposition. Man wird auf Kolportage eingestimmt, auf schnelles Erzählen, Pulp-Fiction-Elemente aus Drogenkrimis und Drogenräuschen, auf okkulte Praktiken und Wiedergänger. Und auf ein stetes Pendeln zwischen den USA und Kuba.
Doch schon bald beginnt das Stück, das die Regisseurin Carolin Mylord mit ihren Darstellern entwickelt hat, wie ein Ballon in sich zusammenzusinken, die hochgepumpte Energie wird zu einem Aufwand ohne weiteres Ziel. USA und Kuba – der Gegensatz bleibt Kulisse, trotz eingeblendeter Parolen von Raul Castro und aktuellen Plakaten, die vor dem kapitalistischen Feind warnen, geht es nur um Abziehbilder und Klischees beider Kulturen. Der Gestus des Spiels ist von Anfang der der Karikatur, aber um allein von der parodistischen Zuspitzung zu leben, ist der Abend dann doch viel zu lang. Bis die Story endlich die Momente erreicht, in denen aus den Verfolgern die Verfolgten, aus den Spürhunden die Verdächtigen werden, hat man am kriminalistischen Plot schon das Interesse verloren.
Die Regisseurin Carolin Mylord kam in den Neunzigerjahren als Schauspielerin an die Volksbühne und andere Berliner Theater und inszeniert auch seit dieser Zeit. Ihre Handschrift ist sehr vom Castorf-Stil geprägt. 2008/2009 war sie zu Studienaufenthalten in Kuba. „Kuba Beach“ ist ihre zweite Inszenierung, die darauf rekuriert. Aber ein Baudrillard-Zitat über die „primitive“ Kultur der USA, das eine Schauspielerin anfangs deklamiert, reicht nicht aus, ein kulturkritisches Stück aus dieser Parodie zu machen. Noch ist ein lebendiges Huhn, in einer Beschwörungszeremonie über die Bühne getragen, genug, das magische Denken als das verdrängte Andere glaubhaft auf die Bühne zu bringen.
Das ist schade, denn im Detail passieren viele lustige Dinge. Wie der Kopfsprung in einen Swimmingpool, der höchstens fünfzig Zentimeter tief ist, die Arme-Leute-Variante eines Luxusrequisits, das zu einer Luxus-Kolonialvilla gehört, deren Bild man in der filmischen Projektion sieht. Dass sich das Theater immer mit solchen möglichst billigen Hilfskonstruktionen begnügen muss, verglichen mit der Filmindustrie immer Low-Budget fährt, ist ja ein vielgenutzter Ansatz in der Reflexion der eigenen Theater-Mittel. Der kurze Sprung könnte zur Metapher taugen: So ist das mit allem im Leben, Meer versprochen, Anlauf genommen, Pfütze bekommen. Doch deshalb gleich nur im Seichten fischen zu gehen, wie diese Inszenierung, kann nicht die Lösung sein.
KATRIN BETTINA MÜLLER
■ Wieder am 25. Februar, 6./11./18. März in der Volksbühne
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