Zwist unter den Kurden

IRAK Staatspräsident Jalal Talabani ist nach langer Krankheit in seine Heimat zurückgekehrt. Er muss erst einmal das eigene Haus in Ordnung bringen

Zwischen den kurdischen Parteien ist auch die Haltung zu den Schiiten umstritten

AUS BAGDAD INGA ROGG

Den Fuchs nennen ihnen seine Anhänger, einen Politiker, der mit allen Wassern gewaschen ist. Am Wochenende ist Jalal Talabani, ein Kurde und irakischer Staatspräsident, nach 17-monatiger Abwesenheit wieder in den Irak zurückgekehrt. Talabani werde seine Amtsgeschäfte als Präsident wiederaufnehmen, erklärte seine Partei, die Patriotische Union Kurdistans (PUK). Ob der mittlerweile 80-jährige dazu in der Lage ist, scheint fraglich.

Talabani hatte im Dezember 2012 einen Schlaganfall und war seitdem in Berliner Kliniken behandelt worden. Seine Ankunft im kurdischen Suleimania fiel ohne große Zeremonie aus, wie sie in vergleichbaren Situationen üblich ist. Langjährige Weggefährten des Präsidenten hoffen, dass er wie früher in die Rolle des Mittlers zwischen den zerstrittenen Fraktionen der Schiiten, Sunniten und Kurden im Irak schlüpfen wird.

Gleichzeitig stehen die irakischen Kurden vor einer historischen Wegscheide. Nach dem Abzug der irakischen Sicherheitskräfte aus dem Nordirak, wo sunnitische Extremisten Ende Juni einen Islamischen Staat ausriefen, haben die Kurden die von ihnen begehrte Erdölstadt Kirkuk und Gebiete um Mossul unter ihre Kontrolle gebracht.

Mit der Einnahme von Kirkuk scheinen die Kurden den jahrzehntelangen militärisch wie politischen vergeblichen Kampf um die erdölreiche Region für sich entschieden zu haben. Manche westliche Kommentatoren sehen sie bereits als die großen Gewinner des Chaos im Irak. Kirkuk ist das Kronjuwel, das für die Ausrufung eines unabhängigen Staates noch gefehlt hat.

Masud Barzani, Regionalpräsident von Kurdistan, Erzrivale und Verbündeter von Talabani, hat deutlich gemacht, dass es kein Zurück mehr gibt. Geht es nach Barzani, wird das kurdische Regionalparlament demnächst ein Gesetz über ein Referendum in Kirkuk verabschieden. Außerdem besetzten Kämpfer seiner Demokratischen Partei Kurdistans (KDP) vor zehn Tagen zwei Erdölfelder und schlossen sie an eine neue Pipeline zwischen dem Teilstaat und der Türkei an.

Das forsche Vorgehen von Barzani sorgt nicht nur in Bagdad, sondern auch in den Reihen der PUK für Ärger. Barzani räubert damit nicht nur in einer Hochburg von Talabanis Partei, er provoziert auch die Araber und Turkmenen, um deren Wohlwollen sich die Partei in den letzten Jahren bemüht hat. Selbstverständlich müsse das Referendum stattfinden, sagt der örtliche PUK-Chef Aso Mamand. Es müsse aber gut vorbereitet werden und könne nur mit UN-Unterstützung umgesetzt werden.

Umstritten ist zwischen den beiden Parteien auch die Haltung gegenüber den Schiiten im Irak. Während weite Teile der PUK an dem Bündnis festhalten wollen, das die politische Landschaft im Irak seit dem Sturz von Saddam Hussein bestimmt hat, setzt Barzani auf die Sunniten. Das hat ihm von Regierungschef Nuri al-Maliki die ätzende Bemerkung eingehandelt, er biete den Extremisten Unterschlupf. Maliki sei hysterisch, konterte Barzani. Gleichzeitig ordnete er den Rückzug der kurdischen Kabinettsmitglieder aus Bagdad an.

Barzani sieht sich durch seine guten Beziehungen mit Ankara gestärkt. Über die Türkei exportiert die Regionalregierung an Bagdad vorbei Erdöl. In der vergangenen Woche unterschrieben kurdische Regierungsvertreter mit der türkischen Halkbank eine Vereinbarung, die ihr den Zugriff auf Verkaufserlöse ermöglicht. Einzelheiten nannten beide Seiten nicht.

Mit seinen Alleingängen riskiert Barzani freilich den Unmut im Nachbarland Iran. Dass Teheran die kurdischen Aspirationen hintertreiben kann, bekommt derzeit vor allem die PUK zu spüren, durch deren Stammgebiete die gemeinsame Grenze verläuft. Teheran hat die Grenze für den Güterverkehr – besonders den lukrativen Erdölhandel – mehrfach geschlossen.

Mit oft undurchsichtigen Winkelzügen war es Talabani in der Vergangenheit gelungen, die widersprüchlichen Interessen unter einen Hut zu bringen. Diesmal steht er freilich auch vor der Aufgabe, seine eigene Partei wieder auf Vordermann zu bringen. Diese ist inzwischen in zahlreiche Fraktionen gespalten. Das überschattet auch die Regierungsbildung im Irak. Gleich mehrere namhafte PUK-Vertreter, unter ihnen der Gouverneur von Kirkuk, haben Anspruch auf das Präsidentenamt erhoben. Vor acht Jahren war Talabani der erste Kurde, der vom Parlament in das Amt gewählt wurde. An der Zufahrt zu seinem Palast am Tigris in Bagdad hängt auch jetzt noch ein Bild von ihm. Sicher scheint derzeit nur, dass er nicht dorthin zurückkehren wird.