Kindermund tut Wohltat kund

Wenn der Nachwuchs lautstark spielt, klingt das für manche „wie Zukunftsmusik“: Alle Fraktionen in der Bürgerschaft hören sie gern. Und streiten sich – wie gestern – dennoch stundenlang darüber

Von Sven-Michael Veit

Es gibt bisweilen Themen in der Politik, bei denen sich alle einig sind. Über den Weg, der zum Ziel führt, aber können sie sich partout nicht einigen. Ein besonderes Beispiel dafür lieferte gestern Nachmittag die Hamburger Bürgerschaft ab: Kinderlärm darf nicht verboten sein, finden CDU, SPD und GAL. Und streiten sich dennoch über eine gesetzliche Regelung, die sie einst gemeinsam formuliert haben.

Die juristische „Privilegierung von Kinderlärm“, so der Titel eines SPD-Antrages, sollte vom Landesparlament festgeschrieben werden. Grund für die Initiative sind Streitigkeiten zwischen Anwohnern und Kitas darüber, ob spielende Kinder das Ruhebedürfnis der Nachbarn unzulässig beeinträchtigen oder nicht.

Im Fall der Kita „Marienkäfer“ in Wandsbek war gar vor einem Jahr vom Landgericht für Recht erkannt worden, dass die Kinder zu laut seien, als dies in einem Wohngebiet geduldet werden könne. Die Kita muss sich nun eine neue Unterkunft suchen – möglichst weit weg von akustisch übersensiblen Nachbarn. Im Fall des „Waldkindergartens Kokopelli“ scheiterte gerade erst vor drei Wochen der Versuch einer gütlichen Einigung vor Gericht.

Also wollten CDU-Mehrheit und rot-grüne Opposition gesetzlich klarstellen, dass „Kinderlärm als selbstverständlicher Ausdruck kindlicher Entfaltung hinzunehmen“ sei. Denn nicht nur Monika Schaal (SPD) findet es inakzeptabel, wie sie gestern in der Debatte sagte, „dass der von Kitas ausgehende Lärm nicht hingenommen werden muss, wohl aber der von Biergärten“. Für die hatte der Senat gerade am Dienstag längere Öffnungszeiten am Abend genehmigt.

Trotz Einigkeit im Grundsatz wogte aber eine ausufernde Diskussion darüber durch das Parlament, wer was „gut gemeint“, aber „juristisch untauglich“ ausgedrückt habe. Zum Beispiel die Definition von „Emissionsgrenzwerten“ im Sinne des Bundesimmissionsschutzgesetzes, das lachende Kinder mit fahrenden Autos oder kreisenden Sägen gleichsetzt. Denn es gehe ja darum, „einen rechtlichen Weg zu finden und nicht, uns gegenseitig mit kinderliebem Gesäusel zu überbieten“, wie Christian Maaß (GAL) unwidersprochen erklärte.

Also beschloss letztlich die CDU-Mehrheit statt eines Kinderlärm-Erlaubnisgesetzes eine knappe Ergänzung des Sozialgesetzbuches, wonach „Beeinträchtigungen durch Kinderlärm hinzunehmen“ seien. „Damit schaden sie den Kindern“, befand prompt Jugendpolitikerin Andrea Hilgers (SPD), und ihr Fraktionskollege Rolf-Dieter Klooß, selbst Rechtsanwalt, nannte die Formulierung „ein Placebo, das keine Rechtssicherheit“ bewirken werde.

Die jugendpolitische Sprecherin der CDU jedoch, Stefanie Strasburger, focht das nicht an. Ihr Gesetz werde dafür sorgen, frohlockte sie, „dass Kinderlärm als Zukunftsmusik gilt“.

Nach dem nächsten Rechtsstreit vor Gericht werden alle klüger sein.