IM TIERPARK
: Der Affe

Ich höre, wie die kleinen Rattenknochen knacken

„Guck mal den süßen Babyaffen“, ruft meine vierjährige Tochter. Endlich was los.

Wir stehen vor dem Affengehege im Tierpark, und bis jetzt war tote Hose: Ein alter Affe, der angefressen aussieht, hat an einem Stock herumgekaut, und ein adoleszenter Affe hat in der Ecke gestanden und vermutlich masturbiert.

Der Babyaffe ist niedlich, wie er so vor der Scheibe rumalbert. „Guck mal“, ruft meine Tochter. Der kleine Affe ist von dem Adoleszenten angesprungen worden.

Die ruckartigen Bewegungen sehen sehr menschlich aus. Meine Tochter schaut mich fragend an. Eine Frau neben uns murmelt: „Der Affe vögelt och allet, was nach fünf nich aufm Baum is.“

Bei den Raubtieren bleiben wir vor dem Käfig eines eurasischen Luchses stehen. Neben dem Luchs liegt eine Ratte. „Lebt die noch?“, fragt meine Tochter. Die Ratte sieht bretthart aus. „Nein, die ist tot“, sage ich.

Wir schauen beide dem Luchs zu, wie er auf der Ratte herumkaut. Ich höre, wie die kleinen Rattenknochen knacken. Ob meine Tochter das auch hört? Jetzt beißt er in den Kopf der Ratte. Ich muss mich wegdrehen. Meine Tochter schaut weiter zu.

Als ich wieder hinschaue, hat der Luchs die weiße Ratte enthauptet. Meine Tochter lächelt.

„Pelikane sind ganz schön groß“, sagt meine Tochter. Wir bleiben in respektvollen Abstand stehen. Die Pelikane sind nicht hinter der Absperrung. Ein Mann streichelt einen der Vögel und legt seinen Kopf in den offenen Schnabel. Ich glaube, die haben messerscharfe Schnäbel. Ich glaube, der Mann ist verrückt. „Ich will auch“, sagt meine Tochter.

Vor dem Ausgang schließlich sehen wir einem Mann dabei zu, wie er NPD-Plakate aufhängt. „Der Affe klebt och allet, wat bei fünf nicht aufm Baum is“, sagt die Tochter stolz.

MAREIKE BARMEYER