Solidarität für den Nobelpreisträger

Mit der Absage seines Deutschlandbesuchs stößt Orhan Pamuk hierzulande auf viel Verständnis

Er ist die „Leitfigur“ der antinationalistischen Bewegung in der Türkei, so PEN-Präsident Strasser

BERLIN taz ■ Für die Freie Universität Berlin kam die Nachricht überraschend, dass der türkische Literaturnobelpreisträger Orhan Pamuk die für Freitag geplante Verleihung der Ehrendoktorwürde absagte. „Es wurden uns keine Gründe genannt“, sagt Goran Krstin, Sprecher der Universität. Nun soll ein neuer Termin gefunden werden. Auch Pamuks deutscher Verlag kennt die Gründe für die Absage nicht. Erst Dienstagabend sei ein Fax mit der Absage eingegangen, ohne irgendwelche Gründe zu nennen, erklärt eine Sprecherin des Hanser-Verlags.

Der Schriftstellerverband PEN hat zu Solidaritätsbekundungen mit dem Literaturnobelpreisträger aufgerufen. Nach dem Mord an dem türkisch-armenischen Journalisten Hrant Dink hat offenbar auch Orhan Pamuk Angst um sein Leben.

Eine Sorge, die Schawarsch Owassapian vom armenischen Zentralrat in Deutschland nachvollziehen kann. „Denn die türkischen Nationalisten werden von der Regierung unterstützt“, sagt er. „Erst wenn der Paragraf 301 abgeschafft wird, wird sich etwas ändern.“ Doch mutige Kritiker wie Pamuk blieben immer in der Schusslinie. PEN-Präsident Johano Strasser meinte, Pamuk werde nun in der Türkei gebraucht. „So viele Menschen wie in letzter Zeit haben sich noch nie öffentlich auf der Straße gegen die Nationalisten gezeigt, und er ist die eigentliche Leitfigur dieser Bewegung.“

Die Grünen-Chefin Claudia Roth fordert den türkischen Staat auf, Pamuks Sicherheit zu gewährleisten und „schnellstens“ den Paragrafen 301 des türkischen Strafgesetzbuchs abzuschaffen. Mit Hilfe dieser Norm, die die Meinungsfreiheit massiv einschränke und den „Nährboden für schlimme Gewalttaten“ bereite, seien Pamuk, Dink und viele andere zu „Feinden der Türkei“ gestempelt worden.

Als erster Autor in der muslimischen Welt hatte Pamuk die Fatwa gegen den indischen Schriftsteller Salman Rushdie verurteilt. Weil der in den „Satanischen Versen“ angeblich den Propheten Mohammed beleidigt hatte, erhielt er Todesdrohungen und lebte lange im Verborgenen. Rushdie wird ab kommendem Frühjahr in den USA Literatur unterrichten. Pamuk hat bereits einen zweiten Wohnsitz dort. CIGDEM AKYOL