Lizenz zum Tollen

Wenn Herrchen und Hund zur Gehorsamkeitsprüfung müssen – in Hamburg gilt seit Jahresanfang Deutschlands härtestes Hundegesetz

„Schwarzer Hund“: Das sind all diejenigen, die ungechipt oder führerscheinlos durch die Gegend stromern

VON ANDREA MERTES

Heute steht eine Prüfung an, eine wichtige, jedenfalls aus Sicht der Hundebesitzer. Sie wollen an diesem Januarabend im Tierheim Süderstraße die Gehorsamkeitsprüfung bestehen. Nur sie befreit von der Anleinpflicht, die neuerdings in Hamburg gilt. Und wer weiß schon, worauf es bei dieser merkwürdigen Prüfung ankommt? „Sitz! Nun sitz endlich!“, mahnt ein Pärchen seinen Hund, der sich hechelnd unter den Tisch verzogen hat. Den bestmöglichen Eindruck hinterlassen, das kann nie schaden.

Seit der sechsjährige Volkan im Jahr 2000 in Hamburg-Wilhelmsburg von einem Pitbull totgebissen wurde, herrscht in der Hansestadt Hundealarm. Zug um Zug wurden die Verordnungen für Hundehalter verschärft. Im April 2006 dann hat die Stadt ein Hundegesetz beschlossen, das in seiner Härte deutschlandweit einzigartig ist. Nach einer Übergangsfrist greifen seit Jahresanfang die Neuregelungen. Dem Tier wird ein fälschungssicherer Mikrochip eingepflanzt, sein Besitzer muss ihn – parallel zur Hundesteuer – im zentralen Hunderegister anmelden und eine Haftpflichtversicherung für das Tier abschließen. Und: Es gilt in der Öffentlichkeit und außerhalb besonderer Hundewiesen die Anleinpflicht. Davon befreit wird nur, wer eine Gehorsamkeitsprüfung erfolgreich absolviert. Dieser Hundeführerschein ist personenbezogen. Wenn Herr Meier mit seinem Border Collie die Prüfung besteht, darf Frau Meier das Tier beim Gassi gehen trotzdem nicht von der Leine lassen. Außer, sie hat den Führerschein ebenfalls gemacht.

220 Sachverständige dürfen von der Anleinpflicht befreien. Den Lohn dafür können sie selbst bestimmen. Mancher Experte lässt sich den Hundeführerschein teuer bezahlen, Summen von 200 Euro machen die Runde. Im Tierheim in der Süderstraße dagegen zahlt ein normaler Prüfling 49 Euro, Mitglieder des Tierheims ermäßigte 39 Euro.

Neben der Kategorie „maschinenlesbarer Hund“ bleibt die Variante „schwarzer Hund“. Das sind all diejenigen, die ungechipt oder führerscheinlos durch die Gegend stromern, weil ihre Besitzer sich das Geld sparen wollen. Und das sind nicht wenige: Im Bezirk Eimsbüttel beispielsweise sind 5.800 Tiere über die Hundesteuer registriert, aber nur 3.700 im Hunderegister eingetragen. Auf solche Verstöße ist ein Bußgeld gesetzt, der bezirkliche Ordnungsdienst und die Polizei haben außerdem ein Auge auf unangeleinte Hunde. Wer auf Nachfrage nicht den gelben Hundeführerschein zücken kann, muss mit einem Bußgeld zwischen 30 und 300 Euro rechnen. Gleiches gilt für den Fall, dass der Vierbeiner nicht im zentralen Hunderegister gelistet ist. Noch teurer wird es, wenn die Angaben zu Hund und Halter nicht per Mikrochip gespeichert sind und auf das Tier keine Haftpflichtversicherung ausgestellt ist. Dann sind 50 bis 500 Euro fällig. Allerdings fallen die Summen in der Praxis geringer aus, zumeist wird ein Verwarngeld vorgeschaltet. Hartmut Schulz, Abteilungsleiter Stadtgrün im Bezirk Eimsbüttel, sagt: „Wir wollen die Leute nicht bestrafen, sondern sie bewegen, sich registrieren zu lassen.“ Für nicht angeleinte Hunde wird in der Praxis erst mal ein Verwarnungsgeld von 35 Euro fällig.

Susanne David, angestellt beim Hamburger Tierschutzverein, hat seit vorigem Jahr 170 Hundeführerscheine ausgestellt. Durchgefallen ist bei ihr noch keiner, und das hat einen einfachen Grund: Wer zur Prüfung kommt, gehört sowieso nicht zu der Problemgruppe von Hundehaltern. Die Verordnung trifft die Falschen, meint die Hundetrainerin. Ähnlicher Meinung ist auch ihr Chef Wolfgang Poggendorf, der als Vorsitzender des Tierschutzbeirates am Hundegesetz mitgearbeitet hat. „Ich glaube, dass diejenigen, die bisher gegen geltendes Recht verstoßen haben, dies auch weiter tun.“

Die Gleichbehandlung aller Hunde und ihrer Halter ist wohl auch die Schwachstelle des Hundegesetzes. Der Hamburger Verein Hundelobby, ein Zusammenschluss aus 16 Interessenverbänden von Hundebesitzern aus ganz Hamburg, hat im vorigen Jahr bereits angekündigt, das neue Gesetz vom Bundesverfassungsgericht überprüfen zu lassen. Eine Grundlage für eine solche Klage könnte ihnen ein Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts in Lüneburg (Az: 11 KN 38/04) aus dem Jahr 2005 verschaffen. Die Richter kippten damals eine Verordnung der Stadt Hemmingen, die auf allen öffentlichen Wegen einen Leinenzwang für Hunde vorsah. Das sei unverhältnismäßig, so das Gericht. Die Annahme, dass unangeleinte Hunde in der Stadt generell eine Gefahr für andere Hunde oder Menschen darstellen, hätten die vorgelegten Unterlagen nicht belegen können. Der angeordnete Leinenzwang führe dagegen zu Fehlentwicklungen des Tieres. Und fehlentwickelte Tiere machen Ärger. Genau das, was das Hundegesetz eigentlich verhindern soll.