Winterlicher Wechselwahn

Nach der Winterpause scheinen in der Fußballbundesliga alle Treueschwüre vergessen: Binnen 24 Stunden wurden drei Trainer entlassen. Der lange Atem der Hinrunde ist der Abstiegsangst gewichen

VON DAVID-EMANUEL DIGILI

Petrik Sander, Trainer bei Energie Cottbus, war untröstlich. Erst trat sein glückloser Gladbacher Kollege Jupp Heynckes infolge der Pleite gegen die Lausitzer (1:3) zurück, dann wurde Kollege Thomas Doll beim Hamburger SV entlassen – der abstiegsgefährdete Verein spielte zu Hause nur 1:1 gegen den Aufsteiger. Dass er gleich zweimal in Folge für den Jobverlust eines Kollegen verantwortlich sein sollte, trieb Sander nahezu die Tränen in die Augen, die ohnehin schon immer so traurig aussehen. Am Wochenende kommt nun Mitaufsteiger Bochum ins Cottbusser Stadion der Freundschaft, dessen Trainer Marcel Koller ebenfalls zur Disposition steht.

Nach dem Start der Rückrunde ging plötzlich alles ganz schnell in der Bundesliga: Hatten die Bayern nicht immer wieder erklärt, den Vertrag von Erfolgstrainer Felix Magath am liebsten unbefristet verlängern zu wollen? Hatte nicht HSV-Chef Bernd Hoffmann dem angeschlagenen Thomas Doll immer wieder demonstrativ den Rücken gestärkt? Und hatte man nicht auch in Mönchengladbach wenig Kritik an Jupp Heynckes gehört? Alle drei Trainer haben zwei Dinge gemeinsam: Ihr Präsidium stand hinter ihnen – und doch sind alle drei ihren Job los, und zwar binnen 24 Stunden – einmalig in der Bundesligageschichte.

Nur schneller Erfolg zählt

Damit bedienten die Verantwortlichen der Klubs wieder einmal eines der gängigsten Klischees: Spricht sich ein Verein „ganz deutlich“ oder „unbestritten“, vielleicht auch „ohne Wenn und Aber“ gegen die Entlassung seines Trainers aus, räumt er heimlich schon dessen Spind aus. Noch im Herbst beschworene „langfristige Planungen“ werden zu den Akten gelegt, nur der umgehende Erfolg (oder die Rettung vor dem Abstieg) zählt.

Warum erinnert sich nach anderthalb Monaten Winterpause bloß keiner mehr an all diese Treueschwüre? Versetzt anhaltender Fußballentzug selbst das Management der Bayern in Panik, in 17 ausbleibenden Spielen nicht genügend Punkte sammeln zu können, um die Champions League zu erreichen? Tja, Fußball sei eben ein schnelllebiges Geschäft, hört man immer wieder. Im Erfolgsfall dagegen wird selbst ein ungeliebter Trainer wie Armin Veh in Stuttgart gefeiert, als hätte man von Anfang an gewusst, dass er „genau der Richtige“ ist – allerdings nur, solange sein Team gewinnt. Und keinen Spieltag länger. Kontinuität ist selten im Profifußball.

Dass es auch anders geht, zeigt das Beispiel des FSV Mainz 05. Trainer Jürgen Klopp ist unantastbar – auch wenn seine Mannschaft seit dem achten Spieltag (mittlerweile haben wir den 19. hinter uns gebracht) auf einem Abstiegsplatz steht, mehr als zwei Monate davon sogar als Tabellenletzter. Trotzdem sprach ihm Vereinspräsident Harald Strutz nicht die deklarierte „Unkündbarkeit“ ab. Im Gegenteil: Kaum ein Bundesligatrainer hat einen sichereren Job als Klopp, der, wie Strutz betont, „nur selbst kündigen kann“.

Trainer feuern reicht nicht

Oder ein Beispiel aus Frankreich, wo Guy Roux knappe 44 Jahre lang, von 1961 bis 2005, Trainer des AJ Auxerre war und den Verein aus dem Amateurbereich bis hoch in die Ligue 1 führte. Die Verbindung zwischen Auxerre und Roux schien schlicht untrennbar.

Beispiele, die jedoch Einzelfälle bleiben. Läuft es nicht so, wie es soll, bricht die große Panik aus, und die Übungsleiter fallen ihr und der großen Angst vor Abstieg, Geldeinbußen und sportlicher Bedeutungslosigkeit zum Opfer. Statistiken jedoch belegen, dass Trainerwechsel vor allem bei Abstiegskandidaten kein automatischer Heilsbringer sind. In der vorigen Saison entließ der 1. FC Köln seinen erst zu Beginn der Spielzeit verpflichteten (und hoch gelobten) Trainer Uwe Rapolder am 17. Spieltag, um nach der Winterpause den Schweizer Hanspeter Latour zu präsentieren. Jedoch verbesserte sich das Spiel der Geißböcke dadurch nicht, im Gegenteil rutschten sie zeitweilig sogar auf den letzten Tabellenplatz ab – und stiegen schließlich ab – trotz des Trainerwechsels.

Genau wie Wolfgang Wolf, der derzeit in der zweiten Bundesliga um den Wiederaufstieg mit dem 1. FC Kaiserslautern kämpft. Schon am 13. Spieltag hatte er Michael Henke dort beerbt, der wiederum das so erfolgreiche Gespann mit Chef Ottmar Hitzfeld wiederbelebt hat und dessen Co-Trainer beim FC Bayern München wird.

Auch Felix Magath hat wieder Arbeit. Nur einen Tag nach seiner Entlassung bei den Bayern hat ihn der Hamburger SV verpflichtet. Das Trainerkarussell dreht sich wieder. Fußball ist, hier stimmt das Klischee, eben ein schnelllebiges Geschäft.