berliner szenen Ramme in Köpenick

Wir sind das Volk

Das Spiel ist aus. Union hat verloren. Ausgerechnet gegen Magdeburg. Die Fans trotten mit gesenkten Köpfen und eingerollten Fahnen zum S-Bahnhof Köpenick. Ab und an stellt sich einer zu den Figuren, die im Spalier breitbeinig entlang der Bahntrasse stehen. Die Kumpel halten das Bier, solange der Mann seine Hände zum Pinkeln braucht. Dann ziehen sie weiter.

Vor dem Bahnhof stockt der Pulk. Eine Polizeiwanne versperrt einen der Eingänge. Daneben bilden zwei Reihen Polizisten in Kampfmontur eine Barrikade. „Warum kommen wir nicht auf den Bahnsteig?“ – „Die Magdeburger müssen erst weg.“ – „Wieso dürfen die zuerst nach Hause?“ Von rechts skandieren die beinharten Fans: „Wir sind die Hauptstadt, ihr seid die Bauern.“ Es riecht nach einer Mischung aus Bier und Bratwurst.

Oben fahren hintereinander zwei leere S-Bahnen in Richtung Innenstadt. „Wir woll’n rein!“ – „Macht die Mauer auf!“ – „Wir sind das Volk!“ – „Das ist unsre Bahn!“ Einer schreit: „Auch wenn ihr’s nicht glaubt. Ich muss morgen arbeiten!“ Hundert Union-Anhänger machen die Ramme. Die Polizistenbarrikade steht. Hunde bellen, Flaschen fliegen. Eine Wolke stiebt auf und bringt Bewegung in die Masse. Die erste Reihe drängt nach hinten, hustet und krümmt sich über dem Bordstein. „Wat denn, wat denn?“, schreit die Masse. „Pfefferspray!“, heult einer und reibt sich die Augen: „Bullenschweine!“ – Es klingt wie ein Gefangenenchor.

Aus der zweiten Reihe der Polizeibarrikade wird die Fanhorde gefilmt. Die hält ihre Fotohandys hoch und schießt zurück. „Grün-weißer Partybus, schala-lala-la“, singt es von rechts. Die Wanne schaukelt im Takt. Als es anfängt, gemütlich zu werden, geben die Uniformierten den Weg frei.

ANNETT GRÖSCHNER