Die warme Knarre Glück

Für sein neues Stück bittet Ingo Toben sieben Arbeitslose auf die Bühne einer Düsseldorfer Kirche. Da erzählen sie, wo sie das Glück gesucht und gefunden haben und warum es eine flüchtige Sache ist

von CHRISTIAN WERTHSCHULTE

Am Donnerstag in Düsseldorf: 10.000 Kumpel demonstrieren für ihr Recht auf Staublunge, in der Berger Kirche geben sieben Langzeitarbeitslose ihr Theater-Debüt. Die Gruppe „Rimini-Protokoll“ hat es vorgemacht. Wenn die Geschichten des Theaters die Menschen nicht mehr erreichen, lass sie zu Akteuren werden.

„Alles ist da!“ nennt sich die neue Regiearbeit von Ingo Toben in Zusammenarbeit mit dem Düsseldorfer FFT. Was dem Titel zufolge im Überfluss vorhanden sein soll, ist das sprichwörtlich auf der Straße zu findende Glück. Von der Suche danach wollen die LaiendarstellerInnen erzählen, während sie auf dem kalten Kirchenboden um den erleuchteten Altar sitzen. In der Düsseldorfer Altstadt haben sie gesucht, dort, wo Cretinismus und entfremdete Arbeit miteinander anstoßen. Helmut erzählt von einem Menschen, der einen Hulla-Hoop-Reifen um den Hals getragen habe und der mit dem Schmuckstück „irgendwie glücklich wirkte“. Elke beneidet das Moos um sein stetig wachsendes Glück.

Diese Menschen kennen Normalarbeitstage und regelmäßiges Einkommen. Warum sie in die Arbeitslosigkeit geschlittert sind, bleibt Geheimnis ihres ARGE-Profils und den Zuschauern verborgen. Glücklicherweise hat das Ensemble nicht den Fehler gemacht, sich auf der Bühne als Schauspieler zu inszenieren. Die Gesten sind angedeutet, der Tonfall alltäglich. Ein Spiel mit dem Ernst, das authentisch bleibt. Doch der Zustand mittelloser Exklusion überformt alle Vorstellungen von einem glücklichen Leben – auch in der Rückschau. Elisabeth erzählt von einem Trip nach Südostasien. Ihren Ekel über Armut, Dreck und Insekten verklärt sie zur Faszination des Neuen. Glücklich sei sie zum letzten Mal dort gewesen – mit den nackten Füßen auf dem kalten Lehmfußboden eines indonesischen Badezimmers.

Doch das Leben als arbeitslose Glücksuchende ist nicht nackt, Glück ist wissenschaftlich definiert und kann auf Karteikartengröße zusammengefasst werden. Diese Definitionswut bleibt den Langzeitsarbeitslosen freilich äußerlich, mit einem schalen Lächeln kommentieren es die anderen Darsteller, wenn Marianne aus den verschiedenen Diskursen über das Glück vorliest.

Und spätestens mit der gemeinsamen Inszenierung von „Hans im Glück“ kippt die Szenerie vor dem Altar ins Ironische. Mit wechselnden Rollen und stockender Stimme machen alle Beteiligten deutlich, dass die Geschichte vom Knecht, der seinen Lohn für die glückliche Armut eintauscht, nur im Märchen funktioniert. Zum Ende der Inszenierung stehen die Darsteller auf der Bühne und singen den Beatles-Klassiker „Happiness is a warm Gun“: „When I hold you in my arms/and I feel my finger on your trigger/I know nobody can do me harm.“ Unglück entwaffnet. Für diese Einsicht gibt es einen langen Applaus.

Termine: 4.2 und 8. bis 11.2; Treffpunkt: FFT Düsseldorf, Jahnstraße 3, jeweils 19.30 Uhr; Eintritt: 12 (6) Euro, Infos: 0211-87678718