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Kindergeburtstag in der Londoner High Society

Woody Allen hat mit „Scoop“ leider nur eine harmlose Krimikomödie gedreht, in der sogar Scarlett Johansson kreuzbrav und bieder ausschaut

Er hat es sich nicht verkneifen können. Nach „Match Point“, seinem meisterlichen film noir über einen in den britischen Geldadel aufsteigenden Tennislehrer, wollte Woody Allen dem ungewohnt schlanken und konzentrierten Erzählstil treubleiben und auf neurotischen Firlefanz verzichten. In „Scoop“ verstößt er jetzt aber gegen alle guten Vorsätze. Und, nachdem man ihn in „Match Point“ nicht eine Sekunde auf der Leinwand vermisst hat, kehrt er nun auch vor die Kamera zurück. Als schusseliger Magier Splendini lässt er bunte Punkte wie Konfetti aus seinem Zaubertuch rieseln, zaubert die obligatorischen Kaninchen herbei oder verdatterte Schönheiten aus dem Publikum von der Bildfläche.

Das hat bei aller schöner und auch komischer Selbstreflexivität – der Filmemacher als tatteriger Illusionist vor einem zunehmend gelangweilten Publikum – durchaus etwas Tragisches. Denn dem Kriminalfall, in den ihn die Geschichte spült, kann er durch seine kauzigen Pointen und Tapsigkeiten nicht eine Facette mehr abtrotzen. Mit seiner immer leicht beleidigten Mine soll Splendini vor allem einen asexuellen Gegenpart zu Scarlett Johanssons Sexappeal liefern, der diesmal mit einer hässlichen Brille und kreuzbravem Outfit beträchtlich heruntergedämmt wurde. Ihre Beziehung soll eine väterlich-töchterliche bleiben, wenn schon der Rest der Männerwelt sich anstrengt, die blonde, etwas dämliche Nachwuchsjournalistin Sondra Pransky auf ihre eigentlichen Talente aufmerksam zu machen.

Als die kürzlich verstorbene Reporterlegende Joe Strombel (Ian McShane) Sondra Pransky aus dem Jenseits den Hinweis zukommen lässt, der Aristokrat und aufstrebende Jungpolitiker Peter Lyman (Hugh Jackman) sei für eine Mordserie an Prostituierten verantwortlich, erkennt sie die Chance für ihren beruflichen Durchbruch. Sie schleicht sich gemeinsam mit dem Zauberer Splendini in die High Society ein, erliegt jedoch bald dem Charme des Verdächtigen und glaubt nur zu gerne an dessen Unschuld. Bis Splendini in einer Mischung aus Hyperprotektionismus und Abenteuerlust die nachlässige Journalistin mit weiteren belastenden Indizien konfrontiert.

„Scoop“ ist eine enttäuschend harmlose Krimikomödie geworden, die außer gewollten Vaudeville-Trampeligkeiten, mühevollen Screwball-Effekten und bewährten Allen’schen Einzeilerpointen kaum etwas aus dem Zylinder zu zaubern vermag. Der distanzierte Romancierblick auf die Klassengesellschaft der Alten Welt, der Allen vorher so wunderbar und scharf glückte, fehlt bei der zweiten filmischen Begegnung mit der Londoner High Society ganz. Wer sich an den Zauber und die unbeschreibliche Eleganz erinnert, die in „Match Point“ allein schon über dem noch unentschieden auf der Netzkante tanzenden Tennisball lag, muss sich jetzt wundern, wie sehr sich „Scoop“ um Wirkung, Finten und verblüffende Wendungen abrackert.

Hatte Allen zuvor im Londoner Exil genau zu jener erzählerischer Verve gefunden, die man in seinen letzten Werken aus dem New Yorker Biotop des Stadtneurotikers („Hollywood Ending“, „Anything Else“ und „Melinda & Melinda“) vergeblich gesucht hat, wirkt „Scoop“ nun wie ein fahriger, launischer und wenig inspirierter Kindergeburtstag. Aber das kann, wie man bei dem inzwischen Siebzigjährigen, immer wieder für einen Geniestreich guten Regisseur weiß, ja noch nicht alles gewesen sein. BIRGIT GLOMBITZA

„Scoop“. Regie: Woody Allen. Mit Scarlett Johansson, Woody Allen u. a., USA/ Großbritannien 2006, 96 Min.

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