Was spielen die eigentlich?

Schon wieder herrscht Euphorie in Deutschland. Diesmal ist die Handball-WM die Ursache. Für alle, die zum Finale morgen, Deutschland gegen Polen (16.30 Uhr), noch einsteigen wollen: das Basic-Abc

VON ANDREAS RÜTTENAUER

A Ein Handballspiel beginnt mit dem Anwurf. Gespielt wird 2-mal 30 Minuten. In der Endrunde der WM werden die unentschiedenen Spiele bis zu 2-mal verlängert, um je 2-mal 5 Minuten. Steht es immer noch Remis, gibt es ein Siebenmeterwerfen.

BBlacky“ ist der Kampfname von Christian Schwarzer. Der 37-jährige Kreisläufer wird als Motivator von seinen Mitspielern regelrecht vergöttert.

C „Wir haben eine realistische Chance, Weltmeister zu werden“, sagte Heiner Brand gestern, „unser Finalgegner Polen allerdings auch.“ Aha.

D Auf den Rängen Deutschlandfahnen allüberall. Im Finalort Köln aber ist kaum Schwarz-Rot-Gold zu sehen. Der Nationalrausch findet vor dem Fernseher und unter geschlossenem Hallendach statt.

E Viele der besten deutschen Handballer sind Ersatz in ihren Vereinen. In der Bundesliga werden viele wichtige Positionen von Spielern aus anderen Ländern besetzt.

F Der deutsche Torhüter, Henning Fritz. Er ist der beste des Turniers. Er hält Bälle nicht nur mit den Armen und Beinen. Wenn es sein muss, hält er auch seinen Kopf hin.

G Handball hat Geschichte in Deutschland. Seit in der Halle gespielt wird, wurden zwei große Titel gewonnen. 1978 ist die BRD Weltmeister geworden, 1980 die DDR Olympiasieger.

H Hotte strahlt. Horst Bredemeier, Vize-Präsi des Handballbundes (DHB), wurde als Mitorganisator der WM vor zwei Wochen noch heftig kritisiert. Vergessen. Jetzt streitet er sich mit Bundespräsident und Edelfan Horst Köhler darum, wer die Zähne schöner bleckt.

I Die IHF, der internationale Handballverband, wollte ganz schnell ganz viel Handball in die weite Welt schicken. Deshalb werden WM-Turniere alle zwei Jahre veranstaltet.

J Zum Jubeln bleibt beim Handball nicht viel Zeit. Zu schnell ist das Spiel. Am größten ist die Freude, wenn der Torhüter einen Siebenmeter hält. Der Nicht-Tor-Schrei ist lauter als der Torjubel.

K Am Kreis spielen die Typen, denen es nichts ausmacht, wenn an ihnen herumgezerrt und -gezogen wird. Sie drücken und schieben aber auch selbst.

L Wo Handball ist, ist Lärm. In der Halle hören sich die Fangesänge lauter an als im Stadion. In Köln wird an empfindliche Gemüter Ohropax verteilt.

M Michael Kraus, genannt „Mimi“, ist der Shootingstar der Deutschen. Manche nennen ihn „Mini“. Der 23-Jährige ist mit seinen 1,87 Metern für einen Rückraumspieler recht klein.

N Der Nationaltrainer heißt seit zehn Jahren Heiner Brand. Der wandelnde Schnauzbart ist ein cooler Provinzler. Wirres „Wir werden Weltmeister“-Geplärre ist seine Sache nicht.

O Die Handball-WM ist das erste Qualifikationsturnier für die Olympischen Spiele 2008. Der Sieger ist für Peking qualifiziert.

P Handballer spielen auf der „Platte“. Zufrieden sind sie, wenn es ihnen gelingt, das, „was wir im Training erarbeitet haben, auf der Platte umzusetzen“. Eine echte Handballerphrase.

Q Die Quote stimmt. Der Präsident des DHB, Ulrich Strombach, platzt beinahe vor Stolz. Am Donnerstag sahen bis zu 15,34 Millionen Zuschauer das Halbfinale gegen Frankreich.

R Der Rückraum ist das Herz des Angriffsspiels. Oft spielen dort wahre Riesen mit Schultern breiter als mancher Kleiderschrank. Nur die Torhüter haben keine Angst vor ihren Schüssen.

S Der deutsche Handball hatte vor der WM nur einen Star: Ex-Nationalspieler Stefan Kretzschmar. Jetzt weiß beinahe jeder, dass Kapitän Markus Baur den Spitznamen „Schorsch“ trägt.

T Florian Kehrmann ist der deutsche Titan. Sechs Wochen vor Beginn der WM hat er sich die Hand gebrochen. Eine Titanplatte hält seine Knochen zusammen.

U Die Unparteiischen werden dieser Tage heftig kritisiert – vor allem von den Trainern der deutschen Gegner. Der deutsche Trainer sieht das anders. „Wir hätten mehr Grund zur Klage“, sagte er nach dem Halbfinale.

V Die Verträge der meisten deutschen Handballer laufen noch ein paar Monate. Weil viele nicht wussten, wie gut die deutschen Handballer sein können, ist viel Bewegung in den Spielermarkt gekommen.

W Das Wort Wintermärchen war vor Beginn der WM tabu. Jetzt wird es in den Mund genommen. Auch die Handballer werden von einem Kamerateam begleitet. Aus der geplanten Erinnerungs-DVD für Angehörige könnte ein Kinofilm werden.

X Die deutsche Mannschaft war vor der WM eine große Unbekannte. Wegen zahlloser Verletzungen konnte sie nie so richtig zusammenspielen. Der Nachteil wurde zum Vorteil. Die Deutschen waren unberechenbar.

Y Hat sich ein Abwehrspieler an einem Angreifer ein wenig vergriffen, dann schaut er wie ein Dackel und breitet seine Arme wie ein Priester aus. Sein Körper formt das typische Unschuldsypsilon.

Z Wenn die Schiedsrichter mit Zeige- und Mittelfinger das Victory-Zeichen machen, haben sie eine Zeitstrafe verhängt. Der böse Bube, auf den sie zeigen, darf 2 Minuten nicht mitspielen.