Nur noch mit „gesunder“ Empörung

betr.: „Über die Gnade“. Offener Brief an Gerhart Baum

Sehr geehrter Herr Baum, ich möchte, nachdem ich gerade die RAF-Begnadigungsdiskussion bei Sabine Christiansen verfolgt habe, Ihnen sagen, dass ich entsetzt war, als wie unqualifiziert sich die meisten Gesprächsteilnehmer erwiesen haben – außer Ihnen! Fast als Einziger haben Sie sich ohne Wenn und Aber für das eingesetzt, was unseren Staat so sehr auszeichnet bzw. auszeichnen sollte, nämlich: ein Rechtsstaat zu sein, der nicht mit zweierlei Maß messen darf.

Auch die anfängliche Einlassung des Benediktinerabtes übrigens, dass Gnade etwas prinzipiell Unverdientes sei, wurde ignoriert oder in eine weichspülerische Ecke gedrängt. Anscheinend hat die ständige (auch mediale) Präsenz von terroristischer und anderer Gewalt in den letzten Jahren dazu geführt, dass Diskussionen zum Thema Justiz nur noch mit „gesunder“ Empörung geführt werden können. Dass die Betreuung von Opfern auch zu den Aufgaben eines Staates gehören sollte, mag richtig sein, aber sie wird zunehmend gegen Rechtsprechung und Justizvollzug ausgespielt. Ich wünsche mir mehr von den besonnenen „Verantwortungsträgern“ wie Ihnen. Lassen Sie sich Ihren Schneid nicht abkaufen. Bleiben Sie dem Land noch lange erhalten! MARCUS ALTMANN, Hannover