„ETA muss am Frieden mitarbeiten“

In Spanien demonstrieren heute die Anhänger einer rigiden Haltung gegen ETA. Doch nur Polizei und Repression sind keine Lösung. Denn sie ersetzen nicht den politischen Friedensprozess, meint der baskische Politiker Patxi Zabaleta

taz: Herr Zabaleta, was bezweckte ETA mit der Bombe auf den Madrider Flughafen Barajas?

Patxi Zabaleta: Der Anschlag hat zwei Ursachen. Zum einen hat ganz offensichtlich eine Machtverschiebung innerhalb ETAs stattgefunden. Zum anderen will ETA einen möglichen politischen Friedensprozess bevormunden.

ETA will also einen politischen Prozess über die Zukunft des Baskenlandes, bei dem alle teilnehmenden Parteien die Pistole im Genick spüren?

Genau. Einen Prozess bei dem ETA den Parteien diktiert, wie weit sie gehen können und was herauszukommen hat. Das hat nichts mit dem runden Tisch zu tun, von dem die ETA-nahe Partei Batasuna immer redet. Die Bombe von Madrid hat das bisherige Konzept des Waffenstillstandes beendet. Das Wichtigste, was ETA hatte, war die Tatsache, dass sie zu ihrem Wort stand. Jetzt hat ETA ihr Versprechen gebrochen. Der Waffenstillstand war „permanent“. Jetzt wurde dieses Versprechen aufgekündigt, ohne dies zuvor anzukündigen.

Es sieht so aus, als ob ETA die IRA im nordirischen Friedensprozess kopieren wolle, Bombenanschläge inbegriffen.

Es gibt einen wesentlichen Unterschied: Nach der Einigung auf einen politischen Prozess in Nordirland kam es zum Anschlag von Omar. Damals hat Sinn Fein die Führung des Friedensprozesses übernommen und die IRA hat endgültig auf Gewalt verzichtet. Im Baskenland ist das nicht so. Hier ordnet sich Batasuna unter.

Aber es sieht so aus, als ob innerhalb Batasunas Kritik am Anschlag laut wird.

Ja, doch die Wirkungen werden auf sich warten lassen. Politisch gesehen hat der Anschlag auf Barajas niemandem so geschadet wie Batasuna – denn die große Mehrheit dieser Partei möchte Politik machen.

ETA hat jetzt alle Glaubwürdigkeit verloren. Was hat dies zur Folge?

Niemand wird der Verkündung eines neuen Waffenstillstandes Glauben schenken. Nur ein endgültiger, garantierter Gewaltverzicht macht jetzt noch Sinn. Dieser Verzicht muss einseitig sein, um somit jedweden politischen Preis auszuschließen, und gleichzeitig ein würdiges Ende für ETA ermöglichen.

Sie sind, wie ETA, für ein unabhängiges Baskenland, den französische Teil und die Nachbarprovinz Navarra mit inbegriffen. Warum wollen Sie nicht, dass ETA dies im Gegenzug für einen Gewaltverzicht aushandelt?

Aus zwei Gründen. Zum einen aus demokratischen Prinzipien: Es kann nicht sein, dass politische Ziele im Gegenzug für ein Ende des bewaffneten Kampfes erreicht werden. Zum anderen aus praktischen, politischen Erwägungen: Egal, was ETA erreicht, ob den Zusammenschluss aller Baskenprovinzen, die Selbstbestimmung oder sogar die Unabhängigkeit – nichts wäre danach wirklich umsetzbar. Wir leben im 21. Jahrhundert. Der bewaffnete Kampf, wie ETA ihn führt, beeinträchtigt politisch gesehen den Bestand des Baskenlandes als Nation in Europa und schadet den politischen Zielen derer, die für die Unabhängigkeit eintreten.

Hat in dieser verfahrenen Situation Regierungschef José Luis Rodríguez Zapatero überhaupt noch einen politischen Handlungsspielraum?

Eines ist klar: Das Ende ETAs muss das Ergebnis eines Dialogs sein, um den Friedensprozess unumkehrbar zu machen. Trotz aller traumatischen Aktionen dürfen wir nicht vergessen, dass ETA einen politischen Hintergrund hat. Zum anderen wäre es sinnvoll, die Haftbedingungen zu verbessern. Doch alles Politische muss zwischen Politikern ausgehandelt werden. Dazu muss Batasuna wieder legalisiert werden. Das Verbot wirkt sich negativ aus. Denn der bewaffnete Kampf wurde immer damit gerechtfertigt, dass die demokratischen Wege eingeschränkt sind oder ganz verwehrt werden. Deshalb würde ich Zapatero empfehlen, das endgültige, garantierte und einseitige Ende der Gewalt von ETA zu verlangen. Aber gleichzeitig muss er die demokratischen Möglichkeiten ausbauen, auch ohne Waffenstillstand seitens ETA. Denn genau das nimmt ETA die Rechtfertigung für ihre Existenz.

Und welche Rolle spielt die Polizei?

Solange ETA aktiv ist, ist sie unumgänglich. Aber alleine mit polizeilichen Maßnahmen ist ETA nicht beizukommen. Denn ETA hat Rückhalt in der Bevölkerung. Es kann für ETA nur eine politische Lösung geben.

Das heißt ein Dialog mit ETA, um die Gruppe aufzulösen und die Mitglieder ins zivile Leben einzugliedern?

ETA muss an der Befriedung des Baskenlandes mitarbeiten. Dabei kommen ihr drei Aufgaben zu: Die Wiedereingliederung der Gefangenen und Exilierten, die moralische Wiedergutmachung gegenüber den Opfern und die eigene Entwaffnung. Alles andere ist politisch und damit Aufgabe der politischen Organisationen.

INTERVIEW: REINER WANDLER