Biedermann mit Brandstift

BILD Jetzt regt sich auch der „Spiegel“ auf

Was für ein Spiegel-Bild: Zündhölzer sind auf dem heute erscheinenden Titel des Hamburger Nachrichtenmagazins zum Schriftzug des Boulevardblattes zusammengestellt. Nach Jahren der höchst einvernehmliche Koexistenz begibt sich der Spiegel mit einer scharfen Kritik an Deutschlands meinungsmachendster Zeitung endlich wieder auf Feindfahrt.

Vorbei die Zeiten, als sich in Sachen Protest gegen die Rechtschreibreform, Propagierung von Politikverdruss und Hochschreiben von Angela Merkel so manche Blattlinien kreuzten. Der Spiegel wird wieder spürbar linker. Welcome back!

Natürlich fällt nach so langer Abstinenz das ein oder andere noch schwer: Bild den Sarrazin-Durchmarsch vorzuhalten, den der Spiegel auf seine Weise anfangs mindestens ebenso verlogen inszenierte, als er erst einen unkommentierten Vorabdruck brachte, um in den Folgewochen „Haltet den Dieb!“ zu rufen – geschenkt. Macht aber angreifbar, und der Bild-Chefbiedermann, taz-Genosse und Teilzeitanzeigenleiter Kai Diekmann beißt im Interview, das ausdrücklich kein Spiegel-Gespräch ist, natürlich genau hier zurück. Doch die insgesamt 12-seitige Strecke, die erstaunlicherweise staunt, was da alles selbst nach den rauen Kriterien des Boulevards bei Bild noch viel schmutziger ausfällt, lohnt sich schon wegen einer sehr klugen Beobachtung: „Für die CDU“ – und man kann hinzufügen: für das politische System insgesamt – habe Bild „die Funktion eines rechtspopulistischen Flügels übernommen“, so der Spiegel. Nur dass es dafür – gottlob! – die Partei noch nicht gibt. STG