Tod auf Raten für deutsche Airbus-Werke

Tausende Beschäftigte protestieren gegen drohenden Abbau von Arbeitsplätzen und Schließung von Standorten. Internes Papier sieht Verringerung des deutschen Einflusses und Konzentration der Schlüsseltechnologien in Frankreich vor

AUS HAMBURGSVEN-MICHAEL VEIT

Für die Betroffenen ist die Analyse klar. „Die Krise ist hausgemacht“, sagt Thomas Busch, Vizechef des Gesamtbetriebsrates von Airbus Deutschland: „Die Erfolge der vergangenen Jahre haben das Management geblendet.“ Niemand widerspricht Busch gestern Vormittag bei der Protestkundgebung im Airbus-Werk Varel in Niedersachsen. Schon gar nicht Ministerpräsident Christian Wulff (CDU), der Arbeitsplatzabbau oder gar die Schließung des Standortes „auf keinen Fall hinnehmen“ will.

Genau das aber dürfte Bestandteil des Sparprogramms „Power 08“ sein, mit dem der Airbus-Mutterkonzern Eads den europäischen Flugzeugbauer sanieren will. Am 20. Februar sollen die Details in Paris vorgestellt werden. Dagegen protestierten schon gestern etwa 24.000 Beschäftigte, die Gewerkschaften und vier Ministerpräsidenten vor den Werken Hamburg, Bremen und Laupheim (Baden-Württemberg) sowie – zentral für die vier niedersächsischen Standorte – in Varel.

Etwa 10.000 Arbeitsplätze in Europa sollen dem Rotstift zum Opfer fallen, ließ Eads-Chef Thomas Enders bereits durchblicken. Nach Informationen der Gewerkschaften könnten davon überproportional viele Jobs, „bis zu 8.000“, allein in Deutschland abgebaut werden. Die Konzernleitung dementiert fleißig, hatte doch Airbus-Chef Louis Gallois zugesichert, „die Lasten gleich und gerecht“ zu verteilen.

Die Befürchtungen passen aber zu einem internen Entwurf des Sanierungsprogramms, aus dem Die Welt zitiert: Demnach plant der Konzern, „den bisher gleichberechtigten deutschen Partner in eine untergeordnete Stellung zu verweisen“. Frankreich mit 24,7 und Deutschland mit 22,5 Prozent sind die größten Anteilseigner an Airbus und haben sich die Führung bislang mit einer Doppelspitze geteilt. Diese aber ist seit dem Herbst rein französisch – und plant offenbar, „die deutschen Standorte mit Auslauftechnologien“ abzuspeisen, so das Papier.

Danach sollten Produktionsanteile aus Bremen nach Großbritannien abgegeben werden und aus Hamburg nach Spanien. Dramatischer aber wäre die Verlagerung der Endmontage und Auslieferung von Teilen des Riesenjets A 380 von Hamburg ins französische Hauptwerk Toulouse. Damit würde die deutsche Airbus-Zentrale vom zweitgrößten Standort des Konzerns zum Zulieferwerk degradiert.

Zudem solle der neue Langstreckenjet A 350 vollständig in Toulouse gebaut werden. Er wird aus völlig neuartigen Verbundkunststoffen bestehen, die in Hamburg und dem benachbarten Spezialwerk im niedersächsischen Stade entwickelt wurden. Die Konzentrierung aller Schlüsseltechnologien in Südfrankreich aber dürfte für die deutschen Standorte der Tod auf Raten sein. „Wir hören nichts von Zukunftschancen“, klagt Gesamtbetriebsratschef Rüdiger Lütjen.

Kein Wunder also, dass der Niedersachse Wulff und seine Kollegen aus Hamburg, Bremen und Stuttgart jede „Benachteiligung“ ihrer Werke mit markigen Worten ablehnen. Welche Taten dem folgen könnten, ist unklar. Denn die Lage, das räumte der deutsche Airbus-Chef Gerhard Puttfarcken gestern vor 12.000 aufgebrachten Mitarbeitern in Hamburg ein, „ist ja auch nicht einfach zu verstehen“.