Tschechow im Schanzenviertel

■ Die Einfache Bühne feiert heute etwas verspätet ihr Einjähriges

„Die Dinge entstehen. Man produziert sie nicht, sondern läßt sie kommen“, sagt Stephan Fischer und beschreibt damit seine Auffassung vom Theaterspiel. Es gelte, „innerlich eine Art Vision“ zu erzeugen, „die dann die Sensibilität des Körpers anregt. Dann fängt es an, aus einem selber zu sprechen.“

Zusammen mit dem russischen Regisseur Jewgeni Mestetschkin leitet Fischer die Einfache Bühne, die heute ihren ersten Geburtstag feiert. Eine verspätete Feier, ist das Theater im Schanzenviertel doch schon im Frühjahr 94 aus der Taufe gehoben worden. Mestetschkin inszenierte damals mit Fischer Die herausragenden Fälle von Danill Charms. Nach einem Gastspiel im Monsun Theater wurde das Gespann im April 94 Untermieter der Freien Theaterschule in der Ludwigstraße.

Die bisherigen Eigenproduktionen, Puschkins Mozart und Salieri, Lieder aus einer anderen Welt, eine Zusammenstellung sowjetischer Musik, sowie Dostojewskis Die Sanfte sind alle russischen Ursprungs. „Wir spielen zur Zeit russische Stücke, aber begrenzen wollen wir uns damit nicht“, hebt Mestetschkin die Internationalität seines Ensembles hervor, in dem sich Schauspieler aus fünf Ländern befinden. Internationalität sei gleichwohl nicht der Anspruch, man verfolge „rein ästhetisch-theatralische Ziele“.

Der „Einfache“ Name ist dabei Programm. Auf ein pompöses Bühnenbild wird verzichtet, die Schauspieler sollen im Mittelpunkt stehen. „Unsere Arbeit basiert auf der russischen Theaterschule“, erklärt Mestetschkin und nennt Stanislawski und Tschechow als Vorbilder. „Der Zuschauer muß glauben, daß auf der Bühne zwischen den Schauspielern wirklich etwas passiert“, sagt er, und Fischer fügt an, „daß man nicht nur Text und Bewegungen einstudiert, sondern auch innerlich arbeitet“.

Die Resonanz des Publikums ist allerdings noch verhalten. Russische Kultur abseits von bombastischen Militärorchestern oder niedlicher Folklore tut sich eben schwer. „Wir haben einen Publikumskreis, der sich für uns interessiert, nur ist dieser Kreis nicht sehr groß“, bedauert Mestetschkin.

Folke Havekost

Geburtstagsfeier: Heute, ab 15 Uhr, Einfache Bühne, Ludwigstr. 13