jazz me if you can

■ Der Dichter Ernst Jandl (vocals) mit Band auf Kampnagel

Der österreichische Dichter Ernst Jandl, rund und klein, ist zwar langsam in seinen Bewegungen, doch sein Organ ist staunenswert präsent.

Auf der Bühne sind fünf männliche Menschen zu sehen und zu hören: Ernst Jandl (vocals), Dieter Glawischnig (Klavier), Ewald Oberleitner (Kontrabaß), John Preininger (Schlagzeug) und Andreas Schreiber (Violine): „um ein gedicht zu machen / habe ich nichts // eine ganze sprache / ein ganzes leben / ein ganzes denken / ein ganzes erinnern“. Die Stimme Jandls, das zeigte das Konzert am Freitag auf Kampnagel, vermag gleichberechtigt neben die Instrumente seiner hervorragenden Begleitmusiker zu treten: „ich / dir / machen / an mir / – /sprachüberraschung“, heißt es in dem Hörspiel das röcheln der mona lisa. Selten ist ein bedeutender Autor auch ein solch exzellenter Vortragender seiner Texte. Bei Jandl aber ist der zunge stampfen ein akustisch-sinnfälliges Erlebnis. „die gedichte dieses mannes sind unbrauchbar“, liest er aus dem urteil. Während Jandl dieses Verdikt ausspricht, zupft Oberleitner keck und frisch am Kontrabaß.

Es ist das reine Vergnügen, dem intensiven Zusammenspiel von Musik und Text zuzuhören, die Mundharmonie zu erleben. Und es ist ein geistvolles Vergnügen, bei manchen Gedichten Musik und Text im Widerstreit zu erleben. chanson, ein frühes Gedicht, zerspielt die Worte „l'amour / die tür / the chair / der bauch“. Die Stehgeiger-Seufzer, die Andreas Schreibers Violine dazu juchzt, sind wunderbar ironisch.

Keine Frage, Ernst Jandl ist ein Jazzer, die scats von Dizzy Gillespie haben ihn entzückt, und natürlich „scätscht“ auch er bei seiner fabula rasa. Seit mehr als zehn Jahren arbeitet er mit Dieter Glawischnig von der NDR Big Band zusammen, und, kaum merklich, verständigen sich die beiden, damit Rhythmus und Klang sich im Kontrast steigern oder verschmelzen wie im zertretener mann blues: „ich krieche mit zerdroschenem gesicht / vor meinem schlächter, doch ich bettel nicht“.

Ein siebzigjähriger Freak und vier ausgezeichnete Musiker, die ihn und ihren gemeinsamen Sprachjazz mögen – und bei dieser musikalischen Lesung gab es als Zugabe auch noch ottos mops – langanhaltender, nichtendenwollender Beifall. Frauke Hamann