Syntax im Schwanken

■ Dichter-Porträt: Hölderlin-Comics von Harald Bergmann

Zweimal flimmert die Fred-Feuerstein-Fratze über einen Bildschirm. In einer anderen Szene skizziert eine unsichtbare Hand nach der Beschreibung eines trügerischen Alpennachmittags naiv die angegebenen Details. Ansonsten erinnert nichts in Harald Bergmanns Hölderlin-Comics, zu sehen im Metropolis, an das Genre des Zeichentrickfilms.

Denn der Germanist und Philosoph hält sich an die Sprache des romantischen Dichters, und die ist sinnlich, gewaltig – aber nicht komisch. Sie bildet allgegenwärtig den gesprochenen Leitfaden, unter dessen Beschwörungsformeln die Bilder fließen. Die Kamera fährt durch ein Flughafenterminal, noch ist der Blick verstellt, von Abblendungen unterbrochen. Erst durch das Bullauge des Jets wird er frei auf die erhabene Wolkenwelt. Dann wieder ist alles düster: Autofahrt durch nasse Ödnis, erdgebunden und trostlos. Hölderlin im 20. Jahrhundert – sagt Bergmann.

Doch die von Udo Samel und Walter Schmidinger gelesenen Ge- dichte illustriert der Regisseur nicht nur. Er ist auch dem Schaffensprozeß selbst auf der Spur und rekonstruiert den Moment der Niederschrift. Von Geisterhand ersteht das Faksimile, als wär's das erste Mal. Ohne Strich fügt sich Wort an Wort, im Rhythmus eines tastenden Genius und suggeriert Hölderlin als assoziativ Empfangenden. Das ist ebenso verklärend wie wagemutig. Entgegen der Absicht entsteht der Eindruck, als stelle sich der Sinn mit dem Gefüge erst ein. Oder geht die Spekulation des Regisseurs dahin, einen in Trance fabulierenden Romantiker zu zeigen?

Tatsächlich erscheint Hölderlins Diktion zunehmend unkonventionell. „Wie wenn es riechet, statt Musik.“ Da gerät die Syntax schon ins Schwanken. Daß sie einmal kippen würde, ahnten Schiller und Goethe früh. Ihre anfangs gönnerhaft kritische, später erhaben bekümmerte Korrespondenz zum Fall Hölderlin konterkariert Bergmann mit Musik von John Zorn.

Da wird der Film noch kitschig: Eine rotglühende Riesenqualle wabert, während die ernsten Worte von Auflösung künden. Aber Hölderlin-Comics bleibt – auch wenn man dem Film nicht überallhin folgen mag – stets informativ. Denn Bergmann ist offenbar ein intimer Freund des romantischen Dichters und weiß viel über diese Freundschaft zu berichten.

Schade nur, da beide über so wenig Humor verfügen.

Hilmar Schulz